Eine tiefgreifend prägende Bildungsgeschichte, die einem die Sprache verschlägt

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Lange habe ich überlegt, wie ich das Gelesene in Worte fassen soll. Das Cover und die eigene Meinung zu diesem Buch sind eigentlich sekundär. Wichtig sind die gelesenen Zeilen, die mich zum Teil sprachlos gemacht haben.
Vorweg muss ich etwas zum Titel „Befreit- Wie Bildung mir die Welt erschloss“ mitteilen. Als ich zum ersten Mal diesen Titel las, dachte ich an ein Sachbuch, eine Art Anleitung, die mir helfen könnte die Welt zu verstehen. Weniger an eine tiefgreifende Autobiographie. Vergleicht man diesen Titel mit dem englischen Original, so ist er mit dem Inhalt des Buches nicht ganz stimmig: „Educated“ hat die Bedeutung, sich Wissen anzueignen. Daraus resultiert die Übersetzung „gebildet“. „Befreit“ widerum erschließt sich mir aus dem vorhergehenden Status des Gefangenseins und eines neuen Lebens, das daraus beginnen kann. Dabei dominiert meines Erachtens eher die körperliche Gefangenschaft, anstatt die geistige.

Tara Westover lebt mit ihren Eltern und Geschwistern auf einem Berg Idahos. Sie wächst in einer Familie auf, die streng mormon lebt. Wobei es im Laufe der Geschichte viele Aspekte gibt, die dies widerlegen. Ihr Vater, bipolar gestört, ihre Mutter eine illegale Hebamme, die ihr Geld mit heilerischen Ölen verdient und ein Bruder, der gewalttätig ist. Jede heikle und problematische Situation, wird mit ihrem Glauben erklärt. Unfälle und Verletzungen werden nicht vom Arzt behandelt, sondern mit Mutters Tinkturen. Alles ist gottgewollt. Tara geht nicht zur Schule und muss auf dem Schrottplatz ihres Vaters aushelfen. Bildung ist ihr fern, alles was ihr Vater sagt, ist Gesetz. Eigentlich ist sie sich sicher, dass sie bald einen Mann heiraten wird, der sich in dieser Familie miteinbringt und sie mit ihrer Mutter weiter als Hebamme arbeiten wird. Mit großen Schritten kommt dann jedoch alles anders. Sie schafft es aufs College, dann nach Cambridge. Ein Sprung, der nach und nach das Bild, das sie von ihrer Familie hatte, sprengen lässt.

Viele Passagen dieses Werkes muss man gelesen haben. Gerade auch die Beziehungsgeflechte und Handlungen, die meistens so gar nicht nachzuvollziehen sind, haben mich oft nachdenken lassen, was Menschen bewegt, so zu handeln. Tara, die bis zum Ende ihre Familie trotz allen Geschehnissen nicht aufgeben wollte, ist zu bewundern. Manchmal ist es doch besser, mit Familie zu brechen, als andauernd eine Last mit sich rumzutragen, die wie in ihrem Fall, auch zur Gefahr werden kann. Ich bin erstaunt über so viel Kraft, Mut und Ausdauer. Danke für dieses Buch. Es ist so wichtig, solche Geschichten aufzuschreiben, denn es gibt auf dieser Welt Menschen, dessen Geschichte wir lesen müssen. Einfach um daraus lernen zu können.

Und nochmal zum Titel: Tara ist während dieser Geschichte nie wirklich gefangen. Nur ungebildet. Natürlich befreit sie sich durch Bildung aus ihrem alten Leben. Das Gewicht und der Fokus sollten dennoch auf Bildung liegen. Denn dieser ist nun mal der Schlüssel zu Taras Befreiung.