Einzigartig wie die Autorin

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Tara Westover ist eine sehr unterhaltsame Biografie aus der Feder geflossen, die aus mehreren Gründen etwas Besonderes ist.
Das Mädchen wird als jüngstes von sieben Kindern in die Weite Idahos geboren; nur die älteren Kinder haben eine Geburtsurkunde und sind einige Jahre zur Schule gegangen. Zu besessen ist der Vater, ein strenggläubiger Mormone, vom nahen Weltuntergang und davon, dass die Regierung alle Menschen unterjochen möchte. Sie sind komplette Selbstversorger und die Mutter lässt sich als Hebamme und Kräuterfau weiterbilden. Das kleine Mädchen hat keinen Grund an den Idealen ihrer Eltern zu zweifeln, auch wenn die Großeltern sich oft gegensätzlich verhalten. Tara muss schon früh mithelfen, sowohl auf dem Schrottplatz des Vaters als auch im Haus der Mutter, die sich ein eigenes kleines Business mit Kräutertinkturen aufgebaut hat. Die meisten der älteren Geschwister sind außer Haus, bis auf einen Bruder, der sie meist recht brutal behandelt.
Als ein weiterer Bruder Tara rät, den Aufnahmetest des Colleges zu versuchen, zweifelt sie aus mehreren Gründen. Doch die Idee nimmt Form an und sie beginnt zu lernen. Mit siebzehn Jahren und gegen den Willen des Vaters wird die junge Frau angenommen und zieht von zu Hause aus. Sie wohnt in einer WG und macht sich dort wenig Freunde, denn auch in den einfachsten hygienischen Dingen ist sie nicht geschult.
Und die Welt der Bildung lässt sie stark an allem zweifeln, woran sie je geglaubt hat - nicht leicht zu verkraften, wenn man niemanden hat, der einen stützen könnte. Je länger und mehr Tara lernt, desto unwirklicher kommt ihr das Leben der Familie vor. Sie versucht, auch ihre Schwester, die inzwischen verheiratet ist und Kinder hat, von Bildung zu überzeugen, aber diese ist der Ansicht, ihre eigene reiche aus. Ihre eigenen Töchter werden nicht zur Schule gehen, sondern von ihr selbst unterrichtet. Sie ist auf Stand Klasse vier.
Auch Tara hat einiges aufzuholen, aber sie macht sich fleißig ans Werk. Schwierig wird, wenn es um die Studiengebühren geht oder dann, wenn sie medizinische Hilfe benötigt. Auch das Frauenbild, das man ihr aufgenötigt hat, bringt sie in arge Schwierigkeiten, denn sie muss sich nicht nur als Mensch, sondern ebenfalls als Frau finden lernen.
Westover erzählt ihre Geschichte ziemlich gewandt in der Ich-Form, so dass sie oft wie ein kleiner Roman wirkt. So ganz vermag sie es nicht, sich von den Geschehnissen zu lösen, was besonders am Ende zu spüren ist. Hier geht es dann auch ein wenig abstrus daher, was allerdings leicht überlesen werden kann. In jedem Fall hat die junge Frau einiges von der Welt gesehen, sich sprachlich auf ein hohes Niveau gebracht und zudem gelernt, sich nicht mehr so stark von anderen beeinflussen zu lassen und in erster Linie sich selbst zu vertrauen.
Einzigartig wie die Autorin, unterhaltsam und kaum aus der Hand zu legen.