Mutter-Tochter

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Nach „Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ ist nun der 2. Roman von Alena Schröder erschienen und er setzt das Mutter-Tochter-Thema fort.

„Ich bin wie sie“, dachte Evelyn. „Ich bin genau wie meine Mutter“.
Evelyn, deren Mutter Senta sie in den 20er Jahren verlassen hat, weil sie die Enge des Familienlebens nicht ertrug, hat ihre Tochter von der Tante großziehen lassen.
Zu ihrer eigenen Tochter Silvia hat sie ein sehr distanziertes, kühles Verhältnis. Die Tochter hat das Elternhaus schon sehr früh verlassen und den Kontakt zur Familie abgebrochen.
Nun steht Silvia plötzlich bei der Mutter vor der Tür.
Sie hat mit ihrer neugeborenen Tochter Hannah Berlin verlassen und ist nach Süddeutschland in ihr Elternhaus gefahren.

In Parallelen aus den 50er/60er/70er-Jahren und der aktuellen Erzählzeit 1989 wird die Mutter-Tochter-Geschichte erzählt und am Ende werden einige der zwischen den beiden Frauen stehenden Geheimnisse gelüftet.

Als Evelyn in den 50er Jahren Karl heiratet, sind sie beide Ärzte. Die Welt in dem kleinen Ort in Süddeutschland scheint in Ordnung zu sein, nun warten alle auf eine baldige Schwangerschaft.
Karls Familie genießt hohes Ansehen, man achtet darauf, nicht aufzufallen, es ist wichtig, nicht zum Gerede der Leute beizutragen.
Nachdem der langgehegte Kinderwunsch erfüllt wird, ändert sich Evelyns Leben vollständig und sie hadert mit diesem Leben, das Kochen gelingt nicht, der Haushalt füllt sie nicht aus, das Kind scheint nicht zufrieden zu sein, Evelyn möchte lieber wieder arbeiten. Die Stille im Haus ist so bedrückend.
Silvia ist ein schweigsames, schüchternes Kind, von Mitschüler:innen unbeachtet, sogar gehänselt. Sie spürt, dass die Mutter enttäuscht über sie ist, da sie deren Erwartungen nicht erfüllt. Und sie spürt auch, dass sie der Grund für das Unglück der Mutter ist. Die Eltern beschließen, Evelyn in ein Internat zu schicken.
Sie findet Unterstützung durch ihre Tante Betti, die unverheiratet und sehr frei lebt.
Nach einem Unglück, an dem Evelyn sich die Schuld gibt, verlässt sie den schwäbischen Ort, probiert alternative Lebensmodelle aus und bereist die Welt.

Evelyns Härte im Umgang mit ihrer Tochter ist eine Fortsetzung der Lieblosigkeit, die sie selber durch ihre Mutter erfahren hat. Es dauert lange, bis sie das versteht. Dieses traurige Erbe wird durch ihre eigene Tochter durchbrochen, die eine große, intensive Liebe zu ihrer kleinen Tochter Hannah lebt. Es gelingt Hannah auch das Herz ihrer Großmutter zu erobern und den Kontakt zwischen Evelyn und Silvia zu unterstützen.

Die Geschichte um die Frauen dieser Familie ist sehr berührend, sehr authentisch. Es wird deutlich, wie stark die eigene Sozialisation uns prägt, wie schwer es für Frauen jeder Generation (immer noch) ist, Kinderwunsch und Berufstätigkeit miteinander zu vereinen.