Mutter und Tochter kommen sich näher

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hoelzchen Avatar

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Berlin 1989: Silvia braucht eine Auszeit. Mit ihrer kleinen Tochter Hanna (sie ist noch ein Baby), „flieht“ sie aus ihrer WG und fährt, nach fast zwei Jahrzehnten Abwesenheit, zu ihrer Mutter Evelyn nach Süddeutschland. Die beiden standen sich nie sehr nah, doch nun versuchen sie das Beste aus der Situation zu machen. In Rückblenden, beginnend im Jahr 1950 und endend 1971, erfährt man mehr von der Familiensituation. Evelyn stammt aus Mecklenburg-Vorpommern, nach dem Krieg verschlägt es sie nach Baden-Württemberg. Sie studiert Medizin und heiratet Silvias Vater, der auch Arzt ist. Evelyn bleibt dort in der Provinz immer eine Fremde, nur in ihrer Arbeit geht sie auf. Ihr Verhältnis zu Silvia ist unterkühlt und Silvia bleibt ein Einzelkind. Silvias Herz hängt an ihrer Tante Betti, die ein unkonventionelles Leben führt. Während ihres Besuchs in der alten Heimat, blickt Silvia auf ihr Leben zurück, entdeckt Geheimnisse und ist bereit ihren Frieden zu machen. Unterstützung bekommt sie von einer alten Mitschülerin und dem Nachbarssohn von damals. Sie erkennt, es ist nicht alles Gold was glänzt.
„Bei euch ist es immer so unheimlich still“ von Alena Schröder, ist die Vorgeschichte von ihrem Romandebüt. Der Romann kann, so wie von mir, unabhängig davon gelesen werden. Das Buchcover finde ich ganz zauberhaft. Es verrät nichts und hat mich neugierig aufs Buch gemacht. Der Titel, ein Ausspruch von der Nachbarin, bei der es immer lebhaft zuging, da vier Kinder im Haus waren, ist sehr passend gewählt und trifft den Inhalt sehr gut. Der Schreibstil von Alena Schröder hat mich sofort gepackt. Zudem mag ich Romane, die in verschiedenen Zeitebenen geschrieben sind. Der Wechsel gelingt hier immer gut und ich konnte der Geschichte immer sehr gut folgen. Sympathisch sind mir beide Protagonistinnen und ich kann ihre Verhaltensweisen gut nachvollziehen. Beide Frauen sind keine einfachen Charaktere, wirken auf mich aber absolut authentisch. Evelyn ist ohne Mutter aufgewachsen, das erklärt vermutlich ihren fehlenden Mutterinstinkt. Die Distanz zu Silvia ist von Geburt an da. Das Rollenbild der Frauen und Mütter war in den 1950er Jahren ein anderes. Dem konnte Evelyn nicht gerecht werden. Heutzutage würden man Evelyn mehr Verständnis entgegenbringen und sie würde sich wohler fühlen. Silvia spürt diese Kälte von klein auf an und hat immer das Gefühl, ihrer Mutter nicht gerecht zu werden. Auch ihre schulischen Leistungen entsprechen nicht den Anforderungen von Evelyn. Sie zeigt kein Verständnis für Silvia. Die Verbindung zum Vater ist herzlicher, doch damals sprach man nicht über Gefühle, die Erziehung noch eher autoritär geprägt. Silvia muss ins Internat und die Entfernung zur Familie wird sprichwörtlich größer. Bis Silvia den Kontakt fast abbricht. Für mich ist es menschlich nachvollziehbar, wie Silvia gehandelt hat und welche Person aus ihr geworden ist.
In erster Linie ist dieses Buch natürlich ein Unterhaltungsroman, doch man liest die kritischen Töne heraus. Die Symbiose ist gelungen. Ich mag den Erzählstil von Alena Schröder, er ist modern, ruhig und authentisch. Die Fortsetzung (also das erste Buch der Autorin) um die Familie Borowski habe ich schon bei mir liegen. Ein größeres Kompliment kann man einer Autorin eigentlich nicht machen.
Von mir gibt es 5 Sterne für diesen tollen Roman.