Familie und Trauma

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elke17 Avatar

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Beifang ist eine Zechensiedlung am Rande von Selm, errichtet für die Bergmänner des ehemaligen Steinkohle-Bergwerks Zeche Hermann. Die Zeche wird 1926 wegen unzumutbarer und gefährlicher Arbeitsbedingungen stillgelegt, was gravierende ökonomische Auswirkungen auf die Bergleute und ihre Familien hat, da die wenigsten eine neue Arbeit finden. Armut, Verelendung und Perspektivlosigkeit sind die Folgen.

Frank Zimmermann ist in Beifang aufgewachsen, lebt aber seit dem Studium in Berlin, mehr oder weniger allein. Hat zwar einen Sohn, aber keinen Kontakt zu ihm. Hat zwar eine Freundin, trifft sie allerdings eher selten. Er lebt planlos vor sich hin, wurschtelt sich so durch. Mal hat er Arbeit, dann wieder nicht. Weiß nicht, was er will, was er vom Leben doch erwartet kann.
Als sein Elternhaus verkauft wird und sein Vater ihn auffordert, die auf dem Dachboden eingelagerten Hinterlassenschaften zu sichten, macht er sich auf den Weg ins Ruhrgebiet, im Hinterkopf den Rat seiner Freundin, sich endlich mit seiner Herkunft auseinanderzusetzen. Antworten auf die Fragen nach der Vergangenheit des Vaters zu finden, mit denen er sich auseinandersetzen möchte und sollte, die aber durch dessen Verweigerung und Sprachlosigkeit bislang unbeantwortet geblieben sind. Daran ändert sich auch nichts, als er anlässlich dieses Besuchs das Thema nochmal anschneidet.

Also macht er sich auf, die Geschwister seines Vaters aufzusuchen, elf an der Zahl, hoffend, dass deren Erinnerungen Licht in das Dunkel bringen können. Natürlich hat jede/r von ihnen eine individuelle Sicht auf die Vergangenheit, aber allmählich fügen sich die Bruchstücke zu einem Bild zusammen, das von Armut, Gewalt und Fremdbestimmung erzählt. Eigene Wünsche zählen nicht, Begabung spielt keine Rolle, weil es immer nur darum geht, das Überleben zu sichern. Ja, man fügt sich, arrangiert sich mit den Umständen, vergräbt den lebenslangen Groll und die Enttäuschung über das ungelebte Leben, das Trauma, tief in sich, gibt ihn aber auch weiter an die nachfolgende Generation.

Über weite Strecken finden wir in „Beifang“ Merkmale des naturalistischen Romans, speziell dann, wenn die allmähliche Verelendung der Großfamilie und die Ohnmacht des Einzelnen angesichts der prekären finanziellen Lage, der Wohnsituation, der Ausgrenzung etc. geschildert wird. Aber es ist auch ein warmherziger Roman über Kraft und Zusammenhalt, der aus schwierigen Verhältnissen erwachsen kann, ein Plädoyer für den verständnisvollen Umgang miteinander trotz aller Widrigkeiten.