Die andere Seite der Medaille!

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thirteentwoseven Avatar

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Zuerst dachte ich: "schon wieder so eine Familiengeschichte vom Krieg bis jetzt. Die gibt es doch genug." Doch je weiter ich las desto mehr hat mich das Buch eingefangen.
Ich-Erzähler Frank, ein geschiedener Enddreißiger und völlig ergeizloser Script- und Drehbuchautor, erzählt sein Leben und das seiner Familie. Dabei taucht man ganz tief ein in eine bitter arme und gnadenlose Welt. Die andere Seite der Medaille der Wirtschaftswunderzeit, in der es längst nicht allen besser ging.
Hunger, Schläge, Zwang und nie Geld, das bestimmte das Leben von Franks Familie, den Zimmermanns. Großvater Winfried, der täglich in die Grube einfuhr, um seine 12 Kinder zu ernähren, war der Mittelpunkt. Um seine Grausamkeit, seine Erlebnisse im Krieg und besonders um seinen Tod ranken sich viele Mythen. Was wirklich war, wurde in der Familie tot geschwiegen. Frank, nach seiner Scheidung selbst in einer Krise und einer Beziehung, die eigentlich keine ist, geht auf Spurensuche. Auch für seinen Sohn.
Er besucht seine vielen Onkel und Tanten, fragt nach der Vergangenheit und dem Was, Wie und Warum. Dabei offenbart er auf offene und warmherzige Art sein Innenleben. Es entwickelt sich ein unterhaltsamer Spannungs- und Beziehungsbogen zwischen Zukunft, Jetzt und Vergangenheit, zwischen den Welten von Frank, Franks Vater Otto und Großvater Winfried und Franks Sohn Vinzenz.

Für Erzähler Frank gibt es kein Schwarz und Weiß, keinen erhobenen Zeigefinger, keine Verurteilungen, sondern wie ein Puzzlespieler sammelt er viele kleine Fragmente aus der Vergangenheit und setzt sie zusammen zu einem großen, neuen Bild. Man hört, versteht, leidet mit. Erkennt Zusammenhänge. Und zeitgleich sieht und spürt man die große Leere und Orientierungslosigkeit in der Frank lebt, aber auch sein großes Herz und seinen untergründigen Humor.
Nur so viel sei noch verraten: Bei seiner Spurensuche kommt Frank einigen Geheimnissen auf die Spur. Geschichte, Vergangenheit und Gegenwart werden eins. Es gibt nicht nur die eine Wahrheit, sondern viele. Und nichts ist so wie es behauptet wird oder scheint.

Beifang, so heißt der Ort, in dem Frank und seine Familie leb(t)en. Beifang
, das ist aber auch "was ungewollt ins Netz geraten ist, als Abfall zurückgelassen wird, stirbt - oder schwer verletzt überlebt".

Fazit: Ein überzeugendes Buch über eine Zechenfamilie. Ihr Leben und Sterben vom 2. Weltkrieg bis jetzt. Warmherzig, ohne Bitterkeit auf mitreißende, persönliche und unterhaltsame Art geschrieben. Lesenwert.