Unscharfe Milieu-Studie

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aischa Avatar

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Journalist und Schriftsteller Martin Simons ist im Ruhrgebiet aufgewachsen, genauer gesagt in der Kleinstadt Selm. Ebenso wie der Protagonist seines jüngsten Romans, Frank, ein Werbetexter Anfang Vierzig, eine mehr oder weniger verkrachte Existenz auf der Suche nach ... ja, wonach eigentlich? Nach seiner Rolle als Vater (von Sohn und Kindsmutter getrennt lebend), nach seinem Platz im Leben, nach seiner Herkunft, nach seinem Glück? So recht wurde mir das nicht klar.

Aber zurück zum Anfang: Der Wahlberliner Frank kehrt zurück nach Selm, Ortsteil Beifang, um seine Eltern zu besuchen. Sein Vater, eines von Zwölf Kindern eines Zecharbeiterhaushaltes, in dem Armut und Brutalität herrschen, gibt sich wortkarg bezüglich seiner Herkunft. Also sucht Frank Onkel und Tanten auf, um Licht ins familiäre Dunkel zu bringen.

Das liest sich recht flüssig, bietet jedoch weder literarisch noch inhaltlich Neues. Ja, Opa wurde im Krieg traumatisiert, die vielen Kinder, aufgrund ihrer Armut inmitten des beginnenden Wirtschaftswunders stigmatisiert, entwickeln unterschiedliche Strategien, um mit der elterlichen Brutalität klar zu kommen, mal mehr und mal weniger erfolgreich.

Doch Simons schafft es kaum, an den verkrusteten Familienstrukturen zu kratzen, Verborgenes frei zu legen, Vieles bleibt bruchstückhaft und nebulös. Bedauerlicherweise gelingt es ihm nicht, das Leid der Romanfiguren fassbar werden zu lassen. Dass Frank dann auch noch einem seiner Onkel eine Pistole klaut, diese tagelang ohne erkennbaren Grund mit sich herum schleppt und sie auf der Geburtstagsfeier eines anderen, ischiasschmerzgeplagten Onkels diesem als Mittel zum Selbstmord anbietet, das gerät selbst unter Berücksichtigung der geflossenen Alkoholmengen zur völlig absurden "Räuberpistole".