Das wahre Indien (der Reichen)

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Inhalt
Der junge Inder Ramesh Kunar hat sich seine Bildung hart erkämpft: Aus der ärmsten Gegend und Kaste stammend und früh zu harter Arbeit gezwungen, ist es ihm gelungen, zur Schule zu gehen. Einen Studienplatz zu ergattern, war ihm nicht vergönnt und so verdient er sein Geld als „Bildungsberater“. Er wird von superreichen Familien engagiert, um die zentralen Prüfungen ihrer Sprösslinge zu schreiben und ihnen so einen gut bezahlten Job (im Ausland) zu ermöglichen. Als er bei der Prüfung für den achtzehnjährigen Rudraksh Saxena unerwartet den ersten Platz belegt, feiert man den Jungen wie einen Superstar. Als persönlicher Assistent lässt auch Ramesh sich gehen. Doch als Rudi den Falschen beleidigt, muss er sich etwas einfallen lassen, damit beide mit dem Leben davonkommen.


Meinung
Der Verlag hat ein Buch vorgelegt, das in einem kleineren Format als üblich daherkommt und ansprechend aufgemacht ist. Die blaue Schrift glänzt und das Lesebändchen wurde farblich passend ausgewählt. Leider hat das Format auch eine sehr kleine Schrift bewirkt, bei der es mitunter anstrengend werden kann, den Geschehnissen zu folgen.
Ramesh beginnt seine Erzählung an dem Punkt, als die Kidnapper ihn und Rudi schnappen und arbeitet sich dann rückblickend an seinem Leben hinab. Immer abwechselnd ab dem Moment, als er Rudi und seine Familie kennengelernt hat und seiner frühen Kindheit. Seine Mutter starb im Kindbett und sein Vater trinkt und hurt gern, wenn er nicht gerade seinen Sohn schlägt. Er besitzt einen Teestand, mit dem er beide durchbringt, doch nur wenn er zu betrunken ist, kann Ramesh in die Schule gehen. Das ändert sich, als die Nonne Claire auf ihn aufmerksam wird und ihn unter ihre Fittiche nimmt. Aber selbst dann wird der Junge gemobbt, aus der falschen Gegend stammend und an eine Mädchenschule gehend.
Diese Kindheitserzählungen lesen sich zunächst ansprechend, wenn auch stetig recht derb erzählt wird, wer keine direkte, auch mal vulgäre, Sprache verträgt, sollte nicht zugreifen. Aber mit steigender Seitenzahl wird es schlicht zu viel. Natürlich möchte der Autor nicht ernst in seinen Erzählungen sein und mit Freude greift er die Widersprüche der indischen Gesellschaft auf – arm gegen reich insbesondere. Aber stetige Wiederholung – und dann noch so künstlich weinerlich – bewirkt nur ein nachlassendes Interesse an der Erzählung, also nicht das, was er sich wohl gewünscht hätte.
Allein die Namen der Protagonisten, die offenbar aus Sagen- und religiöser Welt Indiens stammend, haben großes Interesse hervorgerufen. Leider wird davon wenig aufgegriffen, nur am Rande (vielleicht sogar nur vom Übersetzer?) im Nebensatz geklärt, wer das gewesen ist.
Rudraksh, Rufname Rudi, jedenfalls gewinnt das All-India, wird damit sogleich zum Superstar, denn in Indien wird Bildung hoch bewertet. Ein neuer Widerspruch, wenn die Sprösslinge der Reichen anderen die Arbeit überlassen und die Ärmeren diese komplett als Zeitverschwendung betrachten und harte Arbeit vorziehen. Rudi wird Werbe- und Fernsehstar und Ramesh mit ihm. Dabei lernt er auch eine Mitarbeiterin kennen und lieben. Spätestens an diesem Punkt der Geschichte wird es immer abstruser und wirkt leider recht gekünstelt. Der Autor erwähnt selbst etliche Bollywood-Filme und deren Stars und hat sich augenscheinlich von diesen stark inspirieren lassen. Dass es sich um keine ernstgemeinte Story handelt, wird spätestens jetzt sonnenklar. Das letzte Drittel verkommt leider zu einem Klamauk der besonderen Art, der vertragen werden will.
Rahul Raina hat eine beschwingte Feder geführt, die die meiste Zeit zu überzeugen weiß. Jedoch wirkt seine zynische Art nicht immer überzeugend und kann ins Gegenteil umschlagen. Humorig-derb muss der Leser mögen und vielleicht sollten einige Dinge nicht gar so überzogen dargestellt werden. Ansonsten ist „Bekenntnisse eines Betrügers“ eine ansprechende Erzählung zu und über Indien.