Stadt oder Land?

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Früher hieß es „Stadtluft macht frei“, heute sind viele Städter der Fülle, des Lärms, Gestanks und Geweses überdrüssig. So auch die Batemans: Deshalb mieten sie sich für einen Sommer auf dem Land ein, dem „Hohlen Land“ (vermutlich ein Wortspiel bzw. eine Anspielung auf das „Hohe Lied“), wo Bell mit seiner Familie lebt. Er ist der jüngste Sohn der Vermieter der Batemans und ungefähr im Alter von deren Sohn Harry. Die beiden lernen sich kennen und gehen eine Freundschaft ein, die mit der Zeit wächst, Gefahren und Missverständnissen ausgesetzt ist und auch ein Spiegelbild ihrer beider Leben ist. Und das könnte kaum unterschiedlicher sein: der eine Stadtmensch, der andere Landmensch – mit ihren jeweiligen Prägungen, Ansichten und Entwicklungen, für die ihre Umgebung sorgt. Und doch verbindet die beiden etwas, das über das Offensichtliche hinausgeht: ihre Abenteuer auf dem Land, wo es Höhlen, unterirdische Flüsse, Geister gibt … manches davon ist real, manches entspringt eher der Fantasie kleiner Jungs.

Prinzipiell erinnert die Geschichte ein wenig an die von der Stadtmaus und der Landmaus, wenngleich es dort nicht um das Aufwachsen zweier Jungen und ihre Freundschaft geht. Naturgemäß wird die Geschichte nicht von ihrer Handlung getragen, sondern ist geprägt von den Zeiten und Erlebnissen, die Bell und Harry gemeinsam verbringen – die wiederum aber geprägt sind von ihrem „eigentlichen Leben“. So wird die Geschichte getragen von den Figuren, ihren Begegnungen, der Atmosphäre und ist letztlich eine Hymne an das Landleben, die sich schnell, wenn nicht zu schnell liest. Denn eines muss man Jane Gardam lassen: Sie kann schreiben und das in einem variantenreichen Stil, der seinesgleichen sucht. Funktionieren tut das Ganze auch in der Übersetzung, weil ihr mit Isabel Bogdan eine Übersetzerin zur Seite steht, die Gardams sprachliche Varianz „mitgehen“ kann – eine kongeniale Kombination. Deshalb kommt das Buch letztlich noch so gut weg, obwohl mich das Thema einer Jungsfreundschaft an sich weniger angesprochen hätte, aber irgendwie ist das ja nur der Punkt, von dem die eigentliche Geschichte „ausstrahlt“.