Verbundene Wege des Schicksals

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amara5 Avatar

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„Bella Ciao“ ist ein rund 530 Seiten starker Roman der italienischen Autorin Raffaella Romagnolo und erscheint im Diogenes Verlag.

Piemont, Borgo di Dentro, im Jahr 1946: Giulia Masca kehrt zusammen mit ihrem Sohn Michael nach fast fünzig Jahren an den Ort ihrer Kindheit zurück, den sie nie richtig vergessen konnte. Sie möchte sich mit ihrer Vergangenheit aussöhnen, denn damals ist sie schwanger Hals über Kopf auf einen Dampfer gestiegen und in die USA emigriert. Der schmerzvolle Grund war ihre damalige beste Freundin Anita und ihr Verlobter Pietro, die sie hintergangen haben. In New York heiratet sie den erfolgreichen Grosserie-Inhaber Libero Manfredi und führt ein wohlhabendes und beschütztes Familienleben in der Emigration. Dennoch schweifen ihre Erinnerungen oft in die Vergangenheit in den Piemont, in die entbehrungsreichen Kindheitstage, als sie mit Anita in der Seidenspinnerei Salvi geschuftet hat und zu ihrer rauen Mutter Assunta. Sie weiß, dass "Leben gehen heißt", fragt sich aber auch, was aus ihren italienischen Freunden geworden ist.

Der Roman ist in einer anspruchsvollen und wundervollen Prosa verfasst - viele Zitate möchte man sich herausschreiben - und in zahlreichen Rückblenden und Personenwechsel aufgebaut. Denn während Giulia Masca sicher in New York gelebt hat und gedanklich in ihrem schmerzvollen Verlust über Anita und Pietro verweilt hat, ist den Menschen in Borgo di Dentro (ein fiktiver Name, den die Autorin aber an das real existierende Ovada angelehnt hat) durch die zwei Weltkriege unermessliches Leid widerfahren. Viele sind gefallen, mussten hungern oder haben ihr Leben im unerbitterlichen Partisanenkampf in Gefahr gebracht oder gelassen (deswegen auch der Titel "Bella Ciao", welches ein altes italienisches Partisanenkampflied ist).

Die Rückblenden der Kriege und des Faschismus sind sehr detailreich geschildert und fordern auch durch die Vielzahl der Personen Durchhaltevermögen (ein aufgezeichneter Stammbaum erleichtert das Zurechtfinden), dennoch wahren sie ein Stück europäischer/italienischer Zeitgeschichte, die die Autorin mit Hingabe erzählt (u. a. unterrichtet sie Geschichte) und von der ich noch einiges dazulernen konnte. Wunderschön berührend ist dann der Schlussteil, wo Anita und Giulia, zwei starke Frauen, wieder aufeinandertreffen, sich verzeihen - und beide ihren Frieden finden.

Am Anfang hatte ich Zweifel, ob ich diesen anspruchsvollen Roman über 500 Seiten inhaltlich und sprachlich durchhalte - es hat sich gelohnt!