Die Fallstricke des Fortschritts

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fräulein_jennifee Avatar

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Das Bergpanorama auf dem Umschlag des Buches erinnert an die Jugendstilgemälde des ausgehenden 19. Jahrhunderts, womit der Leser sich bereits in die Epoche versetzt sieht, in welcher der Roman angelegt ist.

Was auf den ersten Blick eine schlichte Sommerlektüre zu sein scheint, wird bei genauerem Hinsehen zu einem Roman über die Tücken und Fallstricke des Fortschritts. So entzweit sich die Gemeinde Göschenen im Jahr 1872 über der Frage nach dem Bau des Gotthardtunnels: Während die Einen glauben, vom Bau des Tunnels profitieren zu können, sehen die Anderen in dem Millionenprojekt nichts weiter als eine Gefahr für die eigene Existenz. Insbesondere die Rede Simeon Baviers in Seemayers Prolog macht deutlich, mit welch tiefgreifender Raffinesse die Autorin persönliche Schicksale mit den Entscheidungen hochgestellter Politiker verknüpft - zum Guten wie zum Schlechten.

Mag der Gotthardtunnel auch Grenzen zwischen den Ländern verwischen, kein Tunnel der Welt kann die Mauern in den Köpfen der Menschen überwinden und so steht es schlecht um die Liebenden Helene und Piero. Ihr Schicksal schlägt einen Spannungsbogen, der Lust auf mehr macht, immerhin verrät Seemayer bereits im Prolog, dass Helene verheiratet ist. Ich selbst kann es kaum erwarten, zu erfahren, wie sich die verbotene Liebe zwischen Helene und Piero entwickelt - und was geschieht, wenn das Licht der großen weiten Welt mit all ihren Versprechungen und Verführungen auf eine verschlafene Schweizer Gemeinde fällt.