Eindringlich und ehrlich

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evchen Avatar

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„Bestie“ von Joana June ist ein moderner Roman über Selbstinszenierung, Freundschaft und den Preis des Erfolgs – ein Buch, das mitten im digitalen Zeitgeist steht. Erzählt wird die Geschichte von zwei jungen Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Delia, die sich unter dem neuen Namen Lilly ein neues Leben aufbauen will, und Anouk, eine erfolgreiche Influencerin mit großem Selbstbewusstsein und klaren Zielen. Als sich die beiden begegnen, entsteht zunächst eine Zweckgemeinschaft – Lilly soll Anouk als Ghostwriterin für ein Bühnenprogramm helfen. Doch mit der Zeit entwickelt sich daraus eine spannungsgeladene Beziehung voller Rivalität, gegenseitiger Abhängigkeit, unerwarteter Nähe – und vielleicht sogar Freundschaft.

Delia bringt viel Unsicherheit, aber auch Ambition mit. Sie ist auf der Suche nach einem Neuanfang und ringt dabei mit ihrer Vergangenheit und ihrem Selbstbild. Anouk dagegen lebt in der Welt der Likes, Follower und Selbstvermarktung. Nach außen scheint sie souverän, doch innerlich kämpft auch sie mit Unsicherheiten und dem Druck, stets „perfekt“ zu wirken. Die beiden Frauen spiegeln sich gegenseitig auf faszinierende Weise – jede ist für die andere eine Art Projektionsfläche, aber auch eine Bedrohung.

Joana June gelingt es, diese vielschichtige Beziehung eindrucksvoll zu erzählen. Ihr Schreibstil ist jugendlich, direkt und dennoch tiefgründig. Die Autorin, selbst im Social-Media-Umfeld zu Hause, versteht es, die Dynamiken der digitalen Welt authentisch einzufangen: Es geht um Aufmerksamkeit, um Inszenierung und um die Frage, wer wir eigentlich sind, wenn niemand zusieht. Besonders spannend ist, wie das Buch mit Erwartungen spielt – sowohl den eigenen als auch denen der Außenwelt. Anouk und Delia kämpfen nicht nur gegeneinander, sondern vor allem mit sich selbst.

Ein zentrales Thema des Romans ist die Rolle von Frauen im Rampenlicht – wie sie sich behaupten, wie sie sich gegenseitig begegnen und was es bedeutet, „Erfolg“ zu haben. Dabei verzichtet Joana June auf einfache Antworten. Vielmehr zeigt sie die Komplexität moderner Beziehungen auf: Es geht um Freundschaft, aber auch um Konkurrenz. Um Anerkennung, aber auch um Authentizität. Um Sehnsucht nach Nähe – und Angst davor.

„Bestie“ ist kein typischer Wohlfühlroman. Es ist ein ehrliches, stellenweise düsteres, aber immer kluges Buch, das Leser*innen zum Nachdenken bringt. Gerade junge Erwachsene, die sich im Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung bewegen, werden sich hier wiederfinden.

Fazit: „Bestie“ ist ein eindringlicher Roman über zwei Frauen, die lernen müssen, sich selbst und einander zu vertrauen. Joana June liefert ein starkes Debüt mit relevanten Themen, eindrucksvollen Charakteren und einem Schreibstil, der berührt. Wer sich für die Mechanismen von Social Media, weibliche Selbstermächtigung und komplexe Beziehungen interessiert, sollte dieses Buch unbedingt lesen.