Ein kraftvoller Roman über das Leben und das Sterben

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jdaizy Avatar

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"Du erwiderst mein Lächeln nicht. Du schweigst. Deine Finger liegen still auf den Tasten des Computers, dein ganzer Körper wird vollkommen still. In deinem Blick geschieht etwas, aber ich kann nicht deuten, was. Du sitzt hier, schweigend und wie versteinert, dein Blick wandert weg von mir, aus dem Zimmer. Mir ist das Lächeln auf dem Gesicht eingefroren, es ist, als müsse ich eine Grimasse ziehen, um es wieder auf neutral zu stellen. Eine gefühlte Ewigkeit vergeht. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll."

Carolina ist gerade Mutter geworden und muss sich erst in ihre neue Rolle einfinden. Dann passiert das Unfassbare: ihr Partner Aksel liegt tot im Bett. Völlig unvorbereitet und unerwartet wird die junge Frau mit dem Tod ihres Partners konfrontiert und verliert den Boden unter den Füßen.

Unverblümt und offen teilt die Autorin Carolina Setterwall in ihrem autofiktionalen Buch "Betreff: Falls ich sterbe" ihre Gefühle und Gedanken mit ihren Lesern.
Von Anfang an hat sie mich in die Geschichte gezogen. In ihren klaren Worten liegt so viel Wahrheit, so viel Ehrlichkeit, so viel Unverstelltheit. Sie schämt sich nicht dafür, dass es Momente der Überforderung gibt. Dass die Geburt eines Kindes und die Zeit danach nicht einfach nur himmelhochjauchzend ist. Dass eine Beziehung neben guten Tagen auch viele weniger gute Tage ertragen muss. Dass Liebe allein manchmal nicht ausreicht. Und das unser Leben endlich ist und Dinge passieren können, die uns den Boden unter den Füßen wegreißen.

Da ist eine junge Frau, die sich nichts mehr wünscht, als mit ihrem Partner zusammen zu sein, die liebt und geliebt werden möchte, die eine gemeinsame Zukunft mit Wohnung und ein Kind haben möchte. JETZT.
Alles ganz alltägliche Wünsche. Und doch bergen sie so viel Konfliktpotential, gerade dann, wenn man so verschieden ist wie Carolina und Aksel.
Sie, unsicher, ängstlich und von alten Traumata in ihrer Vergangenheit geprägt. Eine, die gern redet und reden möchte. Eine, die gern alles schaffen und nichts aufschieben würde.
Er, ruhig, nachdenklich, ein Denker, der viel grübelt, diese Gedanken aber oft mit sich allein ausmacht, der es ruhig angehen lassen möchte.
Wo liegt der gute Mittelweg zwischen beiden und den Kompromissen, die es zwangsläufig geben muss, die wir täglich machen oder uns gegenseitig "aufzwingen"?

Es gibt so viele Textpassagen, die mich nachdenklich gestimmt haben, die mich zurückerinnern lassen, denn irgendwie sind ihre Gedanken, Gedanken, die auch ich als Leser kenne. Gedanken, über die man sich nicht oder nur selten mit anderen austauscht. Sich nicht verstanden und gesehen fühlen, dabei selbst die Erwartungen von anderen nicht erfüllen können, so sehr man es auch versucht, und der Versuch sich in dem ganzen Tornado an Gefühlen nicht selbst zu verlieren. Dieses Buch ist einfach nur kraftvoll, ehrlich und überwältigend.

"Betreff. Falls ich sterbe" ist 2018 unter dem Titel "Lat oss hoppas pa det bästa" in Schweden erschienen. In Deutschland wurde es vom Verlag Kiepenheuer & Witsch 2021 als hochwertiges Hardcover mit 476 Seiten veröffentlicht, und ich hoffe, dass es viele Leser finden und begeistern wird.

Fazit:
Es gibt kein "Später vielleicht". Und trotz unserer Narben sind wir nicht nur Mutter oder Vater, trauernde Witwe oder Witwer oder ein verletzter Mensch mit einer belasteten Vergangenheit. Wir sind so viel mehr. Das Leben geht weiter, auch wenn es manchmal nicht danach aussieht.
Ein kraftvoller Roman über das Leben und das Sterben, über Beziehungen, Eltern werden, Verlust und Trauer und über noch so viele Dinge mehr.
Meine absolute Leseempfehlung!