Leben nach dem Tod

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justm. Avatar

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Als Carolina überraschend den Mann an ihrer Seite und Vater ihres nur wenige Monate alten Sohnes Ivan verliert, steht sie plötzlich allein da. Denn Aksel ist tot. Von jetzt auf gleich nicht mehr da.
Wie soll ihr Leben, das Leben ihres Sohnes, ohne ihn weitergehen? Wie lebt man allein weiter ohne zu wissen, wie das gehen soll?

In einer Mischung aus Autobiographie und Fiktion erzählt Carolina Setterwall auf 480 Seiten die Geschichte einer Liebe. (Einer Liebe deren Beginn und Ende gleichsam anstrengend erscheinen, was merkwürdig anmuten mag, aber eben doch so rüberkommt.)
Dabei besteht das Buch aus zwei Teilen: Während in Teil eins abwechselnd vom Beginn und Ende des gemeinsamen Lebens mit Aksel in relativ kurzen Kapiteln berichtet, spielt Teil zwei, in längeren Kapiteln, in den Monaten und Jahren nach Aksels Tod.

Man möchte meinen, daß ein Buch über den Tod durchgehend traurig zu sein hat. Doch "Betreff: Falls ich sterbe" wirkt eher wie eine schonungslose Analyse einer Liebe; eines gemeinsamen Lebens. Und des Lebens „danach“.
Immer wieder versucht Protagonistin Carolina aus dem Verhalten von Aksel bzw. dem eigenen Verhalten irgendwie schlau zu werden, macht madig oder streicht rosa-rot an, auch was nicht madig ist oder nicht rosa-rot zu sein hat.
Als Leser*in verzweifelt man beinahe mit ihr gemeinsam am Unvermögen die Beziehung, das Leben, einfach zu genießen oder alles so zu nehmen, wie es eben ist. Und fragt sich, ob diese Überanalyse eine Folge der Trauer oder einfach eine Art "Charakterschwäche" ist.

Nichtsdestotrotz ist man an keiner Stelle des Buchs gelangweilt, fühlt Längen oder ist genervt. Nein, man merkt kaum wie man durch die Zeit mit Carolina und (ohne) Aksel reist.

Ich denke, es ist dem Vermögen der Autorin (und sicher auch der Übersetzerin) zuzuschreiben, daß man bei einem Buch, das sich mit Trauer beschäftigt nur an wenigen Stellen auch wirklich ein Taschentuch benötigt.
Das ist zum Teil sicher dem, auf den ersten Blick, sehr neutralen, beinahe nüchternen und abgeklärtem Schreibstil geschuldet. Auf den zweiten Blick ist gerade diese Abgeklärtheit sicher nötig, um den wohl erforderlichen Abstand zwischen die Autorin und ihre Trauer zu bringen. Und dennoch spürt man diese Trauer beinahe so intensiv, als ob sie einem selbst widerfahren würde. Auch bedingt durch immer wieder auftauchende kleine aber feine Sätze, die einen mit ihrer Klarheit, Einfachheit und ihrer beinahe schon brutalen Offenheit, einfach umhauen, wie zum Beispiel:
"Abgesehen davon, dass du tot bist. Abgesehen davon ist alles wie immer." oder "Du warst der Letzte, an dem ich meine Fertigkeiten erprobte, und dann kamen das Leben und der Tod dazwischen."


Während man also als Leser*in im Lauf der vielen Seiten - zusammen mit Carolina - irgendwie versucht die lähmende Trauer zu bewältigen und „das Leben nach dem Tod“ anzupacken, bleibt man am Ende mit dem guten Gefühl zurück, daß man, um beim Original-Titel zu bleiben, auf das Beste hoffen kann. Und daß es Carolina und Ivan es trotz allem schaffen werden.
Immer. Allein. Gemeinsam.