Schweres Thema, schwach umgesetzt

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sleepwalker1303 Avatar

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„Falls ich sterbe“ steht im Betreff einer E-Mail von Aksel an seine Frau. Der Inhalt: „Mein Computerpasswort ist: ivan2014. Eine ausführliche Liste befindet sich im Dokument Falls ich sterbe.rtf“. Carolina ist empört, aber kurze Zeit später stirbt Aksel mit Anfang 30 völlig überraschend im Schlaf und sie ist von jetzt auf gleich mit dem gemeinsamen Sohn Ivan allein. In zwei Handlungssträngen erzählt Carolina Setterwall autofiktional eine Geschichte von Liebe, Trauer und Verlust. Herausgekommen ist ein Buch mit einem vielversprechenden Klappentext, zu dem ich nur schwer Zugang gefunden habe und das mich irgendwie unbefriedigt zurücklässt.
Aber von vorn. Die Liebe zwischen Aksel und Carolina ist eher ungewöhnlich. Sie ist die treibende und drängende Kraft, die von Wohnungssuche bis Familienplanung alles in die Hand nimmt. Ihr Wunschkind überfordert die junge Mutter dann aber von Anfang an. Ivan schreit sehr viel und insgesamt entwickelt sich ihr Leben anders, als sie es sich gewünscht hat. Nach dem überraschenden Tod ihres Mannes wird die Überforderung noch größer und Caro braucht einige Zeit und viel Kraft, um mit dem Verlust leben zu lernen.
In zwei gegenläufigen Handlungssträngen erzählt die Autorin die Geschichte. Jeweils abwechselnd beinhalten die kurzen Kapitel Episoden aus der Zeit vor und nach Aksels Tod. So beschreibt sie ihr Kennenlernen, dann ihr Zusammenziehen, ein bisschen Alltag, Caros Kinderwunsch (Aksel wollte eigentlich kein Kind) und schließlich Ivans Geburt. In den anderen Kapiteln schreibt sie über Aksels Tod und wie sie im Anschluss versucht, ihr Leben irgendwie weiterzuleben. Das Thema an sich hätte wirklich Stoff für ein richtig gutes Buch geliefert. Und obwohl die Autorin damit teilweise ihre eigene Geschichte erzählt, schafft sie es nicht, mir ihre Trauerbewältigung näherzubringen. Ihre Protagonistin kreist sehr stark um sich selbst und ich fand sie eher anstrengend als sympathisch. Ihre und Aksels Familie tun ihr Möglichstes, sie zu unterstützen, aber meistens scheint sie es nicht zu schätzen zu wissen. Aber schon vorher empfand ich sie als unangenehm dominant und gleichzeitig fordernd und überfordert.
Auch sprachlich fand ich das Buch nicht unbedingt ansprechend. Der Verzicht auf wörtliche Rede und der distanzierte, fast sterile Stil passten für mich so gar nicht zum berührenden Thema. Sie schreibt tagebuch- oder briefähnlich, so, als erzähle sie ihrem verstorbenen Mann die Geschichte. Wie mit einem „Weißt du noch…?“ in den Kapiteln, in denen er dabei war und dann eher deskriptiv und geradlinig im „Jetzt“-Strang nach seinem Tod. Den Titel fand ich nicht sehr glücklich gewählt, vor allem, da die erwähnte E-Mail im Buch kaum eine Rolle spielt. Der Originaltitel „Låt oss hoppas på det bästa“ (lasst uns auf das Beste hoffen) passt wirklich besser, denn der Titel steht für Aufbruch, Zuversicht und Hoffnung, etwas, was im Buch in leisen Zwischentönen im großen Dunkel anklingt.
Insgesamt war das Buch für mich eher eine mühsame und enttäuschende Lektüre. Über weite Strecken zog es sich wie Kaugummi durch alltägliche, fast belanglose Situationen, Carolina steht so sehr im Mittelpunkt und kreist so extrem um sich selbst und ihr Selbstmitleid, dass neben ihr nichts und niemand anderes auch nur annähernd dreidimensional existieren kann. Außer ihr und Ivan gibt keine wirklichen Charaktere im Buch, die Nebenfiguren sind zwar vorhanden, haben zwar für Carolina nützliche Eigenschaften, aber nicht einmal Namen. So hat mich zwar der Gedanke hinter der Geschichte berührt, nicht aber die Geschichte selbst. Fertiggelesen habe ich sie eigentlich nur, weil ich auf eine Aufklärung hinsichtlich der Mail mit dem „Betreff: Falls ich sterbe“ gewartet habe – die leider aber nicht kam. Von mir daher zwei Sterne für die gute Idee, die gelungene Übersetzung und das clevere Konzept mit den gegenläufigen Handlungssträngen.