Humorvoller Roman über Liebe, Familie und verschiedene Kulturen

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merleredbird Avatar

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Danke an Vorablesen und den Ullstein Verlag, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Meine Meinung ist davon unabhängig.

Ich LIEBE diesen Titel und die Idee dieses Buches.

Als ich die Leseprobe gesehen habe, ist mir der Name der Autorin sehr bekannt vorgekommen. Abla Alaoui ist nämlich auch Musical Darstellerin/Schauspielerin und eine kurze Recherche hat ergeben, dass ich sie vor 10 Jahren als Sister Mary Robert in Sister Act in Oberhausen gesehen habe :D. Und nach der Lektüre dieses Buches kann ich guten Gewissens sagen, dass sie nicht nur phänomenal singen kann, sondern auch gute Bücher schreibt!
Und nicht nur ihre Kenntnisse über die Schauspiel-Branche hat die Autorin in das Buch einfließen lassen, sondern auch ihre Herkunft: sie hat marokkanische Wurzeln, wie die Familie Baysan.

Durch Flashbacks lernen wir viel über das Aufwachsen von Amaya in einer Einwanderer-Familie, aber auch in der Gegenwart spielt ihre Kultur immer wieder eine Rolle. Das Essen, die Feste, der Familienfokus, ihre Religion und das Ausleben eben dieser - hier kommt z.B. immer wieder die Diskussion um Muslime und Alkohol trinken auf, was in meinen Augen auch einfach einer sehr stereotypische Frage ist, die „nur von uns Deutschen“ kommen kann.
Ich mochte es, wie hier die marokkanisch-arabische Kultur eingewoben war und wie kulturelle Unterschiede sichtbar gemacht wurden, aber ohne dass dieses Buch eine belehrende Haltung angenommen hat. Es wurde in meinen Augen nicht gewertet zwischen verschiedenen Verhalten, sondern einfach eine Ko-Existenz mit möglichen Konfliktpunkten beschrieben, und genau diese Atmosphäre lädt zum abschalten und schmökern ein.

Ich habe dieses Buch wirklich gerne gelesen und bin durch die Seiten geflogen! Jedes Kapitel beginnt übrigens mit einem arabischen Zitat/Sprichwort, dass dann auch auf Deutsch übersetzt darunter steht. Mein Favorit ist eindeutig: „Alle Menschen sind weise. Die einen früher, die anderen später“. Zwischendurch gibt es auch Stellen auf Schwäbisch und ich als Ruhrgebietlerin hatte meine Mühen, das zu verstehen – aber im Kontext wurde es dann ja auch klar und so fand ich das sehr passend.
Ansonsten ist das Buch sehr humorvoll geschrieben und die schlagfertige Amaya hat immer einen Spruch auf den Lippen, wie z.B. hier:
„Stopp! Der Wein muss doch noch atmen!“- „Ich mache Mund-zu-Mund-Beatmung, dann geht’s schneller“.

Allerdings gab es eine Sache, die man in meinen Augen hätte verbessern könnten. Und zwar das Pacing bezüglich der Liebesgeschichte, bzw. die Liebesgeschichte generell. Daniel und Amaya lernen sich kennen, und schwupps Zeitsprung mehrere Monate nach vorne. Es gab auch noch andere Zeitsprünge und mir hat dadurch der Aufbau der Verbindung zwischen den beiden gefehlt.
Auch der Klappentext (von wegen Ismael wird als potentieller Schwiegersohn den Eltern Baysan vorgestellt, während Daniel daneben sitzt) hat mich in die irre geführt, da ich etwas mehr in Richtung Fake Dating Chaos erwartet habe. Der Fokus der Geschichte lag in meinen Augen eher auf Amaya, ihren Dating-Erfahrungen, ihrem Job und ihrer Familie, sowie der großen Frage, wie sie ihre Eltern dazu bringen kann, einen nicht-muslimischen Schwiegersohn zu akzeptieren. Und das ist auch okay so, das war eine interessante und lustige Lektüre, aber bei so einem Klappentext und dann die Einordnung als Liebesroman ist es denke ich nachvollziehbar, wenn ich jetzt sage: mir war das zu wenig Liebesroman, zu wenig Annäherung und Kennenlernen, und zu viel vollendete Tatsachen.

Ich kann euch dieses Buch wirklich wärmstens empfehlen – ich habe ja schon gesagt, was ich alles gut fand. Den Humor, den Schreibstil, die gut ausgedachten Charaktere, die marokkanischen Einflüsse. Ich glaube einfach, dass man an dieses Buch mit anderen Erwartungen rangehen muss und sich nicht vom Klappentext verwirren lassen sollte. Ich gebe 4 Sterne und hoffe, von Abla Alaoui bald wieder etwas zu lesen (oder sie mal wieder auf einer Bühne zu sehen!).