Käsespätzle meets Tajine

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
lanasbuchclub Avatar

Von

Amaya ist 30, Schauspielerin und hat, anders als ihre jüngeren Geschwister, in absehbarer Zukunft keine Eheschließung in Aussicht. Letzteres ist ein großes Problem in den Augen ihrer marokkanischen Mama, die sich führ ihre Kinder nichts sehnlicher wünscht, als eine gesicherte Zukunft in einer harmonischen Ehe. Minder soll Abhilfe schaffen - wäre doch gelacht, wenn sich auf der muslimischen Dating-App nicht ein perfekter Heiratskandidat auftreiben lässt! Und tatsächlich – mit Ismael scheint Amaya den perfekten Schwiegersohn gefunden zu haben. Wäre da nicht das kleine Problemchen, dass nicht Ismael ihr Herz höher schlagen lässt, sondern dessen bester Freund Daniel. Und wie soll sie ihrer Familie bloß beibringen, dass sie einen Schwaben liebt?
Diese Frage bildet den Leitfaden in Abla Alaouis sehr charmanten und gefühlvollen Roman-Debüt und hält den Leser bis zum Ende bei der Stange. Der Schreibstil der Autorin hat mich komplett begeistert. Locker und leicht aber auch mit sehr viel Feingefühl führt sie einen durch diese herzerwärmende Liebesgeschichte und versäumt es nicht, ordentlich Witz zu versprühen. Schon das erste Kapitel hat mich so herzlich lachen lassen, dass ich, ganz begierig auf mehr, nicht anders konnte als weiterzulesen. Besonders toll fand ich darüber hinaus, wie die verschiedenen Figuren ausgearbeitet waren. Selten hatte ich nach so wenigen Seiten schon ein so klares Bild von den Charakteren und die Individualität und Authentizität, mit der sie ausgestaltet wurden, hat das Buch unglaublich bereichert.
Die Handlung hat mich in mancherlei Hinsicht überrascht, vorwiegend weil meine Erwartungen wegen des Klappentextes andere waren, aber das war nicht weiter schlimm. Die Entwicklungen sind schlüssig und die Beweggründe der Figuren nachvollziehbar, daher kann man sich einfach treiben lassen und mitfiebern. Ich fand sehr schön, wie facettenreich und feinfühlig der Stellenwert und die schönen Seiten von Amayas Kultur und Glaube hervorgehoben wurden, aber eben auch die Schwierigkeiten, die sich daraus für sie ergeben. Demgegenüber bot der schwäbische Twist natürlich einen gehörigen Kontrast, wobei ich sagen muss, dass mir der beinahe ein bisschen zu kurz gekommen ist.
Nicht ganz so glücklich war ich mit Amayas Verhalten. Ihre Ängste und Sorgen sind sehr realistisch und nachfühlbar dargestellt, aber mit der Zeit hat sich mein Mitgefühl für sie beinahe erschöpft. Durch das ewige Verheimlichen tut sie nicht nur ihren Eltern Unrecht, sondern ganz besonders Daniel. Er begegnet ihr mit so Viel Geduld und Verständnis und sie hält ihn nicht nur hin, sondern belügt ihn irgendwann auch noch. Das war frustrierend. Und alles nur, weil sie lieber den Kopf in den Sand steckt, statt ihre Probleme anzugehen. Schlimmer war nur, dass sie mit ihrer Vogel-Strauß-Strategie quasi ins Ziel kommt. Für ihre Charakterentwicklung und auch den Abschluss der Geschichte hätte ich mir da wirklich etwas anderes gewünscht.
Abgesehen von diesem Punkt, versteckt sich hinter dem charmanten Cover eine durch und durch bezaubernde Herzensgeschichte, die Multi-Kulti erfolgreich auf die literarische Bühne (zurück-) geholt hat. Bissle Spätzle, Habibi? Ist eine Geschichte, die berührt und Spaß macht, aber auch viel Tiefe und Gefühl mitbringt. Absolut lesenswert!