Die Idylle trügt

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mammutkeks Avatar

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Mabel Dagmar hat ein Stipendium für eines der Colleges, die zumeist den Reichen und Schönen vorbehalten sind. Durch einen Zufall freundet sie sich mit ihrer Zimmergenossin Ev - in Langform Genevra Katherine Winslow - an, die sie dann in den Ferien auf das familieneigene Anwesen Winloch einlädt. Idyllisch an einem See gelegen, gibt es für die vielköpfige Familie verschiedene kleine Häuser, aber auch eine Mensa und eine Köchin, die für die Verpflegung sorgen.
Die Familie Winslow gehört zu den alteingesessenen, reichen und entscheidenden Familien - und legt ein entsprechendes Selbstbewusstsein an den Tag. Auch Mabel möchte so sein, ist jedoch durch ihre kleinbürgerliche Herkunft aus einer Reinigung geprägt. Sie versucht jedoch alles, um sich die Freundschaft zu Ev, zu deren Bruder und der Tante Indo zu erhalten. Die exzentrische Tante ist es dann auch, die Mabel dazu bringt, sich intensiver mit dem Familiengeheimnissen auseinanderzusetzen. Vordergründig geht es um ein Van-Gogh-Gemälde, aber bald schon wird klar, dass es Intrigen, Veruntreuungen und viel mehr an Verbrechen im Laufe der Geschichte gegeben hat.
Und Birch, Evs Vater, scheint genau wie seine Frau Tilde eine entscheidende Rolle dabei zu spielen. Doch auch John, der unerwünschte Freund Evs, seine Mutter und viele viele weitere Personen bevölkern das Anwesen und den Roman "Bittersweet" von Miranda Beverly-Whittemore. So viele Personen, dass einem der Überblick manchmal schwer fallen könnte, es sei denn, man ist an die russischen Romane mit noch mehr Personal gewöhnt.
Glücklicherweise weiß Beverly-Whittemore um dieses Problem und führt die Personen, die nur Nebenrollen spielen oder längere Zeit nicht gehandelt haben, immer wieder ein. Das macht die Lektüre von "Bittersweet" allerdings auch ein wenig zäh, wenn Beschreibungen mehrfach vorhanden sind. Auch die Landschaft und die Häuser werden intensiv beschrieben - wobei ich gestehen muss, dass keines der Häuschen für mich so attraktiv wäre, dort meine Ferien zu verbringen.
Mein Hauptproblem mit "Bittersweet" ist, dass ich nicht weiß, in welcher Zeit es angesiedelt ist. Moderne Telekommunikation kommt gar nicht vor, es gibt auf dem ganzen Anwesen gerade mal ein Telefon. Und auch TV, Internet und Co. gibt es - zumindest in Winloch - nicht. Wobei der Anfang im College schon darauf hindeutet, dass es sich um relativ moderne Protagonistinnen handelt. Der spätere Teil ist dann allerdings so angelegt, als ob man sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts befände. Was auch wiederum nicht sein kann, da es zum einen Pick-ups und andere schnelle Autos gibt, zum anderen auch die Jahreszahlen 1945, 1984 und 1998 eine Rolle spielen.
Nun ja, das ist ein Problem. Das andere liegt für mich darin, dass - auch wenn der Klappentext von Pageturner und schlaflosen Nächten spricht - nicht wirklich Spannung aufgebaut wird. Ja, es gibt Tote, Ermittlungen usw. usw., aber es gibt auch seitenlange Beschreibungen von baufälligen Häusern, vom ersten Sex der Hauptfigur, von Enttäuschungen und so vieles mehr. Aber eben keine wirkliche Spannung. Und auch nicht wirklich ein Thema, das für mich interessant wäre.