Leider nicht überzeugend

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Mabel ist eine Person, die es einem nicht leicht macht, sie zu mögen. Eigentlich mag sie sich selbst nicht mal besonders gut leiden. Sie findet sich zu dick, wirkt immer mürrisch und unzufrieden. Das Leben der anderen erscheint ihr viel erstrebenswerter und wertvoller als das eigene. Zimmergenossin Ev, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, wird zum erstrebenswerten Ideal. Mabel möchte sein wie sie, Teil ihrer glamourösen Welt werden, in der jedes Familienmitglied seiner Uni mal eben so ein wertvolles Gemälde aus der familieneigenen Sammlung schenkt. Die Einladung auf das unvorstellbar große Sommeranwesen der Familie erscheint Mabel demzufolge wie ein Sechser im Lotto. Sie kann kaum fassen, wie ihr geschieht und lebt zunächst in ständiger Angst, wieder fort geschickt zu werden. Nirgends kam sie sich bisher so fehl am Platze vor und gleichzeitig aber auch so richtig. Evs Häuschen „Bittersweet“ und das mondäne Leben der Familie Winslow, die sich nach und nach auf dem Sommersitz einfindet, wird für Mabel zur Leidenschaft. Dieses Leben ist alles, was sie will. Als sich ihr eine Chance bietet, diesem Ziel näher zu kommen, ergreift sie die Gelegenheit, auch wenn sie ahnt, dass sie ein Spiel mit dem Feuer beginnt.

Das Buch hat sich besonders in der ersten Hälfte doch sehr gezogen, um nicht zu sagen, es war langweilig. Wäre da nicht die Frage gewesen, wohin das Ganze führen soll und welche Geheimnisse die Mitglieder der Winslow-Familie verbergen und wem man überhaupt trauen kann, hätte ich das Buch sicher abgebrochen. Die Stimmung ist trübe – wie an einem Sommertag, der im Nebel verhüllt bleibt und an dem es die Sonne nicht schafft durch den grauen Schleier zu dringen. Die Figuren sind bis auf Evs kleine Schwester und ihren Bruder Galway samt und sonders unsympathisch. Oft verhalten sie sich merkwürdig bis dämlich und unglaubwürdig. Es werden immer wieder Geheimnisse angedeutet, wobei ich die Lösung eines der beiden großen Geheimnisse schnell richtig vermutet hatte. Auch Mabel hat etwas zu verbergen und manchmal wird es auch einfach zu viel der Heimlichtuerei, vor allem weil die Autorin oft ausschweifend wird und sich in Details verliert. Dennoch ist es interessant, wie die Familienmitglieder und zunehmend auch Mabel in ihrer eigenen Geschichte verstrickt und gefangen sind, wie sie einander manipulieren und jeder auf seinen Vorteil bedacht ist. So nimmt die Geschichte auch zunehmend Fahrt auf und wird zum Ende hin noch richtig spannend, wenn Leben auf dem Spiel stehen und sich die Knoten entwirren.

Meiner Meinung nach hat sich die Autorin ein bisschen zuviel vorgenommen und dabei verzettelt. Auch glaube ich, dass Mabel nicht halb so unsympathisch sein sollte wie sie dann aber leider ankam. Dafür sympathisiert die Autorin dann doch zu sehr mit der Aschenputtelfigur und führt leider auch ein unpassend kitschiges Ende herbei.

Beverly-Whittemore schreibt in verschachtelten Sätzen, liebt blumige, wenn nicht gar schwülstige Beschreibungen und versucht sich in philosophischen Formulierungen. Dennoch lässt sich das Buch gut lesen, auch wenn der Spannungsaufbau nicht durchgehend gelingt.

Für mich war das Buch leider eine Enttäuschung. Eine gute Geschichte mit Tiefgang, die leider nicht überzeugend erzählt wurde.

© Tintenhain