Blauauge und die "Vanilleleute"...

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Baby's got blue eyes... Mit 42 Jahren wohnt der Krankenpfleger, Orchideenfan und Blogger B.B. immer noch bei seiner Mutter Gloria Winter in Malbry, USA. Im Internet postet er auf seiner Platform boesebuben seine Gedankengänge und beschreibt das schwierige Verhältnis zu seiner Mutter, Mordfantasien und "böse Taten". Seine beiden Brüder, die er nur Braun und Schwarz nennt, interessieren ihn genauso wenig wie die sogenannten "Vanilleleute", Menschen, die ein angepasstes normal-spießiges Leben führen. Selbst als sein Bruder verstirbt fühlt Blauauge keine Trauer. Das Verhältnis zu seiner dominanten Mutter und Porzellanhundesammlerin Gloria aber belastet ihn und er hasst sie, kann sich gleichzeitig aber nicht von ihr lösen. In Form von Posts in seinem Forum erfährt der Leser einiges über Blauauges Stimmungslage, aktuelle Musikvorlieben und Innenleben. Während seine Mutter ihn für sensibel, fantasievoll und beschützenswert hält, schmiedet ihr Sohn längst eigene Pläne von seinem Leben "danach". Leider muss er am eigenen Leib erfahren, dass manche "Vanilleleute" doch nicht zu unterschätzen sind! 

Anders als in ihren Büchern "Chocolat" oder "5/4 einer Orange" widmet sich Joanne Harris in diesem Werk der Geschichte eines Mörders, die sie spannend zu verpacken weiß. Interessant, dass sie nicht vom Mord ausgeht, sondern eher psychologisch-feinfühlig die Hintergründe beschreibt. Als Leser kann man die Spannung fast körperlich fühlen und wartet auf den Eklat, der unvermeidbar scheint. Interessant ist, dass in Form von Blogs berichtet wird (inklusive Stimmungslage und gehörtem Musiktitel des Schreibers) die Blauauge und Albertine posten, hinzu kommen noch einige andere User, die dem Leser nach und nach vorgestellt werden. Zurecht ist dieses Buch hier nicht als Krimi sondern als Literatur eingruppiert, denn der Leser muss sich Zeit nehmen und sich auf dieses Buch wirklich einlassen. Die Autorin spielt mit uns, indem sie gegen Ende die wahren Identitäten von BB und Albertine lüftet - ein fulminantes Ende! Sicherlich wird man die Geschichte mit dem Hintergrundwissen beim 2. Mal anders lesen und noch besser verstehen. Die Aufteilung des Buches in 6 Abschnitte (Blau, Schwarz,Weiß, Rauch ,Spiegel, Grün) hilft einem, besser einordnen zu können, welche der Figuren im folgenden Abschnitt im Fokus stehen wird. Die Sprache ist stellenweise brutal und derb, dann wieder feinfühlig und sensibel, mit poetischen Bildern spielend. Das hat mir an Joanne Harris' Stil zum wiederholten Mal gefallen. Sie schreibt keine bereits zig Male gehörten und gelesenen Geschichten nochmals auf, sondern kreiert eine ganz neue Welt, in die man sich einfinden muss. Ein tiefgründiges überraschendes Werk.