Blind Walk - gibt es ein Entkommen?

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sternchen1202 Avatar

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Inhalt:
Lida überredet ihren Freund Jesper, sie auf einen „Adventure Trip“ – einen Blind Walk – mitzunehmen. Gemeinsam mit fünf Fremden werden sie im Wald abgesetzt und wissen nicht, wo sie sich befinden. Ziel ist es, ohne technische Hilfsmittel wieder in die Zivilisation zu finden. Doch soweit kommt die Gruppe gar nicht… Sie finden eine Leiche und ein Psychopath beginnt, Jagd auf die Gruppe zu machen. Die Teilnehmer verdächtigen sich gegenseitig, bis Lida in die Fänge des Fremden gerät, der die Gruppe schon die ganze Zeit beobachtet hat. Lida erkennt langsam, welche Pläne hinter dem gesamten Blind Walk stehen und in welcher Gefahr sich die Gruppe befindet.


Beurteilung:
„Blind Walk“ ist ein Jugendthriller, der sich mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten befasst. So wie der Titel jedoch schon sagt, steht der Blind Walk im Vordergrund. Ich wusste bis zum Lesen des Buches gar nicht, dass es eine solche Form des Urlaubes überhaupt gibt. Sich mit verbundenen Augen, ohne technische Hilfsmittel und ohne Grundversorgung an Lebensmitteln mit fremden Menschen in einem Wald aussetzen zu lassen und dann selbstständig den Weg in die Zivilisation zurückzufinden, stelle ich mir zwar aufregend vor, aber auch nicht so einfach. Lida hingegen ist von der Idee vollkommen begeistert und überzeugt ihren Freund Jesper, mit dem sie sich dreimal die Woche in seiner Wohnung trifft, dass er sie mitnehmen muss. Die Teilnehmer sind sehr unterschiedliche Personen und bereits kurz nach der Ankunft muss Lida mit der Eifersucht kämpfen, da Natascha heftig mit Jesper flirtet. Natascha, Joy, Isabel, Thore und Birk sind zu Beginn sowohl für Lida als auch für den Leser sehr schwer zu durchschauen. Schnell entstehen gewisse Gruppendynamiken und auch Anfeindungen, mit denen die 17-jährige Lida umgehen muss.
Als die Gruppe dann plötzlich die Leiche des Begleiters Stucke finden, der sie in den Wald gebracht hat, gerät einiges außer Kontrolle. Lida und die anderen fühlen sich beobachtet und beginnen sich gegenseitig zu misstrauen. Gleichzeitig versuchen sie immer noch, den Weg aus dem Wald zu finden. Hierbei stoßen sie auf einen See, der Lida zum Verhängnis wird. Sie verfängt sich in einem Seil und wird von einer unheimlichen Gestalt in die Tiefe gezogen. Doch Lida kann sich befreien, schwimmt ans Ufer und erzählt den anderen von ihrem Erlebnis. Diese scheinen sie jedoch zu ignorieren und nicht mehr mit ihr sprechen zu wollen, bis Lida auffällt, dass sie von den anderen wirklich nicht mehr gesehen wird. *spoiler* Sie hat es geschafft, sich von ihrem Körper zu lösen und kann sich im Wald weiter frei bewegen, ohne jedoch von den anderen gesehen zu werden. *spoiler* Dies ist der zweite Hauptaspekt, mit dem sich „Blind Walk“ befasst. Wie viel können Komapatienten wahrnehmen? Können sie sich losgelöst von ihrem Körper bewegen?
Auf der Zwischenebene trifft Lida Sten, der bei einem Unfall ins Koma gefallen ist und der sich aufgrund seiner Schuldgefühle immer weiter von seinem Körper entfernt und auch nicht mehr leben möchte. Gemeinsam wollen sie der Gruppe helfen und herausfinden, was mit Lidas Körper passiert ist. Sie kommen einem unglaublichen Verbrechen auf die Spur, verlieben sich dabei unsterblich ineinander und geraten beide in Gefahr, nie wieder mit ihrem Körper verbunden zu sein.
Die beiden Hauptthemen haben mir sehr gut gefallen. Auch die Umsetzung ist gut gelungen und ich konnte sofort mit Lida mitfühlen und mich in ihre Lage versetzen. Lida beginnt den Blind Walk als unsichere 17-Jährige, die nach der großen Liebe sucht. Jesper scheint dies aber nicht zu sein. Vielleicht ist es Sten? Langsam entwickelt sich Lida und lässt ihre Naivität hinter sich. Am Ende ist sie sogar in der Lage, Natascha und Jesper zu verzeihen.
„Blind Walk“ ist so aufgebaut, dass die meisten Kapitel mit einem Datum und einer Uhrzeit überschrieben sind. Sie werden hauptsächlich aus Lidas Sicht geschildert. Jedoch gibt es immer wieder Kapitel, in denen der Leser sich plötzlich in einem Krankenhaus befindet und Sten kennenlernt. Stens Kapitel sind in einer anderen Schriftart geschrieben und hier finden sich immer wieder Andeutungen bezüglich Organspende und zu dem Krankenhauspersonal, die ich zu Beginn nicht deuten konnte. Das hat aber zu einer Spannung beigetragen, die sich immer weiter aufbauen konnte. Ich wusste bis kurz vor dem Ende nicht, was jeweils mit Lida und Sten passiert. Auch auf den letzten Seiten gelingt es der Autorin, den Leser noch einmal im Dunkeln tappen zu lassen.
Verzaubert hat mich aber vor allem die zarte Liebesgeschichte, die sich zwischen Sten und Lida entwickelt. Ich habe mit den beiden mitgefühlt und ihnen immer wieder den Schubs in die richtige Richtung geben wollen.
Die Außengestaltung des Buches (gelb-schwarzes Cover mit ein paar wenigen Ästen) hat mir hingegen nicht gefallen. Ich kann mir nicht helfen, aber es passt für mich nicht zum Inhalt. Leider gilt dasselbe auch für den Klappentext und die Inhaltsangabe. Hier wird etwas suggeriert, was von dem Buch nicht eingehalten werden kann, aber auch gar nicht muss.
Desweiteren waren einige Aspekte der Handlung für mich sehr unlogisch. Ein Mensch, der drei Wochen im Koma lag, wird wach, steht auf und taumelt über den Flur – okay, das verstehe ich noch. Aber wieso nehmen die Eltern, die ihren Sohn bis vor 10 Sekunden noch für tot gehalten haben, ihn einfach mit und beginnen (zwar mit Berechtigung) sofort an der Klinik zu zweifeln? Das war für mich leider nicht nachvollziehbar…
Alles in allem hat mir das Buch aber gut gefallen. Daher vergebe ich 4 von 5 Sternen.