Blood on Snow

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bookish ballerina Avatar

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Zunächst muss ich anmerken, dass dies mein erster Roman von Jo Nesbo war und darum keine Vergleiche mit anderen Romanen desselben Autors gemacht werden können.
Den Namen verband ich dennoch mit spannenden Thrillern und alleine die Aufmachung des Buches empfand ich insgesamt als sehr gelungen.
Auch wenn der erste Blick auf das Buch eher skeptisch war, denn die von außen schwarzen Seiten sind relativ gewöhnungsbedürftig, so finde ich, dass sie ebenso wie der Protagonist auf den zweiten Blick ihren Charme haben. Beides passt einfach zu der Geschichte, der man eine Chance geben sollte.

Olav ist Auftragskiller und wenig anspruchsvoll. Grundbescheiden gibt er sich damit zufrieden, nur die Morde für seinen Chef durchzuführen und dafür sein Gehalt zu kassieren. Dabei tut Olav dies nicht einmal aus Boshaftigkeit oder dem Spaß am Töten. Olav ist relativ nüchtern und pragmatisch, eben einfach im Denken.
Dass hinter diesem Killer ein einsamer Mann steckt, der unter einer Lese- und Rechtschreibschwäche leidet und niemanden hat, erfährt man als Leser zwar relativ zu Beginn des Buches, aber was es wirklich bedeutet und wie gutmütig Olav wirklich ist, realisiert man erst im Laufe der Geschichte.
Dabei macht er keinen Hehl aus seinen Schwächen und versteht auch, dass aus diesem Grund das primitive "Expedieren" von Menschen, wie er und sein Chef es nennen, seine Stärke ist. Bei aller Mittelmäßigkeit, ja schon fast bei aller Nichtigkeit, die diesen Mann ausmacht, steht er, der Killer, dennoch als gutherzigster Mensch inmitten dieser mafiösen Szene aus Drogendealern, Freiern und eiskalten Killern. Mit gewissen, ihm eigenen Werten, romantischen Vorstellungen und der Vorliebe für ausgefallene Fachbegriffe für Dinge, die er in einem seiner Bücher gelesen hat, entsteht das Bild eines treudummen, ein wenig naiven Mannes, der aufgrund seiner schweren Kindheit und Jugend nie die Möglichkeit hatte, von Besserem zu träumen. Seine bescheidene Einstellung hat nichts mit Zufriedenheit zu tun, aber mit Akzeptanz des Lebens, das er führt. Und so steht sein ganzes Wesen im krassen Widerspruch zu seinem Job als Killer und gerade das macht diese Geschichte so interessant.
Jo Nesbo schafft es, den Leser für seinen Protagonisten zu begeistern, obwohl dieser so gar nicht dem typischen Romanhelden entspricht. Doch in all seiner Einfachheit ist Olav nahbar und das macht ihn unglaublich sympathisch.

Als Olav also den Auftrag seines Chefs erhält, dessen Frau zu töten, sieht er sich gezwungen, diese mit in seine spartanische Wohnung zu nehmen, von der aufgrund seiner Verschwiegenheit niemand weiß, wo sie sich befindet. Nicht nur aus Gerechtigkeitsempfinden und dem Bedürfnis, einer schutzlosen Frau zu helfen, sondern auch, weil Olav sich in die wunderschöne Corina verliebt, versucht er ihr fortan eine Art Zuhause zu bieten und plant, mit ihr zusammen nach Paris zu fliegen, sobald er ihren Ehemann aus dem Weg geschafft hat.
Innerhalb der Beziehung zu Corina lernt auch der Leser Olav besser kennen und als guten Menschen schätzen, der von dem Leben bisher leider nicht gut behandelt wurde und darum auf den falschen Weg gekommen ist.
Wie es mit Corina ausgeht, ist bei aller Offensichtlichkeit dennoch traurig-schockierend, wird an dieser Stelle aber nicht verraten :)

Zuletzt sei noch Olavs außergewöhnliche Beziehung zu der vermeintlich taubstummen Maria zu nennen.
Eine Frau, der er immer wieder auflauert, der er bei ihrem Job im Supermarkt vom Schaufenster aus zusieht, der er auf ihrem Weg nach Hause folgt und ihr in der Bahn, immer an der gleichen Stelle, all die Dinge ins Ohr flüstert, die er niemandem sagen kann, weil er davon ausgeht, sie würde ihn ohnehin nicht hören können. Auch der Brief, an dem er trotz der Schwierigkeiten, die er für ihn bedeutet, immer weiterschreibt, ist Teil der anderen Seite dieses harmoniebedürftigen Killers,

Abschließend kann ich nur schwer fassen, was ich von diesem Roman halte.
Als Thriller hat er mich gewissermaßen enttäuscht. Ich habe schon spannendere Geschichten mit mehr Action, mehr Verstrickungen und haarscharfen Wendungen gelesen.
Aber an einer anderen Stelle hat mich dieser Roman gepackt. Weil da trotz der Fiktion, so viel Ehrlichkeit, Gutmütigkeit, ja fast Zartheit inmitten der Mafia-Szenerie herrschte, weil Olav absolut sympathisch war und den Leser mit seiner einfachen Art an die Hand nahm und ihn durch das Chaos seines Lebens führte, bin ich überrascht von einem so schönen Roman.
Es handelt sich meiner Meinung nach um eine kleine Geschichte, die, ähnlich wie Olav selbst, nicht bei den ganz Großen ihres Kalibers mitspielen kann, die aber auch gar nicht diesen Anspruch hat, sondern für sich selbst steht und damit eigentlich ganz unterhaltsam ist.

4 Sterne!