Killer mit Herz?

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theresia626 Avatar

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"Blood on Snow - Der Auftrag", der neue Thriller des norwegischen Bestsellerautors Jo Nesbø, ist der erste Band einer (vorerst) zweiteilig angelegten Reihe. Im vorliegenden Fall ist Olav Johansen, der als Ich-Erzähler auftritt, die Hauptperson. Die Geschichte spielt 1977, im wahrscheinlich kältesten Winter seit Kriegsende. Seit vier Jahren arbeitet Olav für Daniel Hoffmann, der als Drogenbaron in Oslo eine steile Kariere gemacht hat. Seine Position gerät ins Wanken, als sich ein weiterer Konkurrent, der Fischer, in der Stadt breitmacht. Olav ist Auftragsmörder, oder wie er sich bezeichnet, ein Expedient. "Es gibt vier Arten von Jobs, für die ich nicht zu gebrauchen bin. Einen Fluchtwagen fahren." Raubüberfälle, Drogen und Prostitution. (S.7-10) Frauen kann er nicht verletzen, und er verliebt sich viel zu schnell und verliert dann das Geschäft aus den Augen. Und er hat ein großes Herz. Aber vielleicht ist das auch nur eine Rolle, die er spielt, und er ist auch nicht so naiv, wie er auf den ersten Blick wirkt. So greift er der "lahmen und taubstummen" Maria, die die Drogenschulden ihres Freundes abarbeiten sollte, schon mal mit dreizehntausend unter die Arme. Hoffmanns neuer Auftrag ist persönlicher Natur. Olav soll seine untreue Ehefrau umbringen, es aber wie einen Einbruch aussehen lassen. Olav beschattet sie und beginnt, sich für sie zu interessieren. "Mein Gott, sie war wie eine frische Schneefläche in der flirrenden Sonne, ließ jeden Mann in kürzester Zeit blind werden." (S. 27). Dann begeht er einen fatalen Fehler. Er tötet den falschen Mann und Hoffmann sinnt auf Rache.

"Blood on Snow - Der Auftrag" ist ein schmales, spannendes Büchlein, das sich sehr schnell liest. Allerdings hat dadurch die Geschichte nicht viel Raum und Zeit, sich richtig zu entfalten. War Nesbøs Protagonist Harry Hole in der zehn Bände umfassenden Reihe auf der Seite der Guten, wechselt der Autor diesmal die Fronten und lässt einen Auftragskiller seine Geschichte erzählen. Die ist jedoch an manchen Stellen unzuverlässig, so dass der Leser oft nicht weiß, was wahr ist oder was seiner blühenden Fantasie entspringt. Nesbøs Thriller erinnert mich an der Stelle, wo die Gangster aus den Särgen springen und später ein abgetrennter Kopf geworfen wird, an eine schwarze Komödie. Überhaupt wirkt das Buch über weite Strecken wie eine Vorlage für einen Film. Da ist es nicht verwunderlich, dass Warner Brothers bereits eine Verfilmung mit Leonardo DiCaprio als Produzent und Darsteller plant. Noch ist der Roman ein Standalone wie zuvor "Headhunter", ein Roman, der mir ausgesprochen gut gefallen hat oder "Der Sohn". Der vorliegende Thriller konnte mich wegen der schon oft beschriebenen Thematik nicht ganz überzeugen, obwohl der Aufbau und die Dramatik gut gelungen sind. Er überzeugt vielleicht auch deshalb nicht im gleichen Maße, weil Olav Johansen längst nicht so charismatisch ist wie Harry Hole. Trotzdem werde ich auch dem zweiten Band "Blood on Snow - Das Versteck" eine Chance geben. Darin geht es um Ulf, einen Geldeintreiber, und der arbeitet für den Fischer.