Ich bin hin und her gerissen...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
hellotigerlily Avatar

Von

Ich war sehr gespannt auf das neue Buch von Coco Mellors und es war auch das erste Buch der Autorin für mich. Und was soll ich sagen? Ich bin wirklich hin und her gerissen ob es mir gefällt oder nicht. Ich denke ich werde aber eher nicht mehr zu den Büchern der Autorin greifen.

Einerseits fand ich den Schreibstil an vielen Stellen toll, die Figuren interessant gewählt und so ausgearbeitet, dass man sie sich wirklich sehr lebendig und bildhaft vorstellen kann. Andererseits war mir das Buch an vielen Stellen einfach deutlich zu langatmig und zäh.

Generell ist das Buch komplett durchzogen von einer Art bittersüßen Traurigkeit und Melancholie. Dessen sollte man sich bewusst sein, bevor man zu diesem Buch greift. Ich war nach dem Lesen ehrlich gesagt schon beinahe froh, dass ich es beenden und weglegen konnte, da es mir für meinen Geschmack einfach etwas zu schwermütig war und der Umgang der einzelnen Personen miteinander auf mich einfach sehr befremdlich und unangenehm wirkte.

Wie bereits erwähnt, fand ich die Charaktere der Schwestern sehr interessant, aber leider auch etwas zu überzeichnet. Jede der Schwestern ist in einem Bereich Profi in etwas: Avery ist eine Spitzenanwältin, Bonnie Meisterboxerin und Lucky Topmodel. Es war mir einfach ein bisschen zu viel des Guten und für meinen Geschmack zu unrealistisch.

Die Geschichte tümpelt teilweise wirklich vor sich hin und wird dann plötzlich von krassen Situationen wie dem heftigen Streit der Schwestern oder dem Gespräch zwischen Avery und ihrer Mutter durchschnitten, bei denen auch ziemlich harte Worte gewählt wurden. Was sich die Schwestern gegenseitig an den Kopf werden oder auch die Mutter Avery an den Kopf wirft, fand ich wirklich hart und befremdlich zu lesen. Leider habe ich das Gefühl, dass man das Buch locker auf die Hälfte, oder sagen wir zwei Drittel der Seitenanzahl herunterkürzen könnte und dennoch alles relevante gesagt hätte.

Was mir allerdings gut gefallen hat, war teilweise der sehr schöne Schreibstil der Autorin und wie sie Dinge beschrieb (z.B. "Sie war ein Jahrmarkt der Gefühle, (...) Manchmal war sie ein wild kreiselndes Karusell, manchmal die Karambolage im Autoscooter und manchmal die regungslos wartende Zielscheibe in der Schießbude.", oder "Er war der einzige Mann im Haus, aber gleichzeitig war er das Haus. Sie lebten in seinen Launen.", etc.).

Manche Aspekte im Buch fand ich leider etwas weit hergeholt und unrealistisch. Dass Avery nach einer schlimmen Heroinsucht zur Top-Anwältin wird ist natürlich möglich, aber es war für mich einfach etwas schwer vorstellbar. Auch hatte Avery scheinbar unbegrenzt Geld zur Verfügung und verdiente Unmengen obwohl sie im Buch eigentlich nie bei der Arbeit war, sondern zwischen England und New York hin und her pendelte und sich mal hier und mal dort eine Auszeit nahm, scheinbar ohne Konsequenzen.

Das nächste was ich ziemlich unrealistisch fand, war, dass Bonnie mit Lucky zuhause einen "Entzug" machte und es Lucky innerhalb wirklich kurzer Zeit später so viel besser ging, dass sie gemeinsam durch den Park joggen konnten und dergleichen. Ich habe davon nicht so viel Ahnung, aber der Beschreibung von Luckys Konsum nach zu urteilen, kann ich mir kaum vorstellen, dass das so einfach möglich wäre.

Auch das Ende war mir einfach viel zu viel des Guten. Es war einfach zu viel "Friede, Freude Eierkuchen" und dann natürlich auch noch der Name des Kindes - Puh... Irgendwie passte dieses fast schon kitschige Ende einfach so gar nicht zum Rest des Buches.

Nichtsdestotrotz habe ich mir sehr viele Stellen und Zitate aus dem Buch markiert und im Großen und Ganzen habe ich es auch gern gelesen. Es war aber definitiv kein Highlight und ich war froh, als ich es endlich beenden und in mein Regal stellen konnte.