Komplex, bissig, spannend - Boyle

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Florida ertrinkt, Kalifornien brennt. An beiden Orten und somit im Spannungsfeld der Klimakatastrophe, leben die Mitglieder einer amerikanischen Mittelstandsfamilie. Der Vater ist Arzt, Mutter Ottilie - die einzige Ich-Erzählerin des Romans - Hausfrau. Sohn Cooper ist Entomologe und damit gewissermaßen am Puls der Zeit. Schon früh erkennt er die vernichtenden Auswirkungen der Erderwärmung, die sich schleichend durch Biotope und Arten ziehen. Während der kalifornische Teil der Familie noch ihren Teil beizutragen versucht und zumindest die Ernährung auf Grillen umstellt, integrieren Tochter Cat und ihr Verlobter in Florida die eigentlich beängstigenden Veränderungen in ihren Alltag. Trotz zunehmender Überflutung bleiben sie im Haus wohnen und legen sich ein Boot zu, für den Fall, dass der Parkplatz am Haus unter Wasser steht. Als einen Akt der Rebellion gegen die Gewöhnlichkeit schafft sich Cat einen Tigerpython an - ausgerechnet eine invasive Art, die der einheimischen Tierwelt langsam den Garaus macht - den sie Willie nennt und mit ihm in den sozialen Medien posiert.
Wer T.C. Boyle kennt, weiß, dass dies nicht lange gutgehen kann und vorsätzlich unkluges Verhalten stets bestraft wird.
»Ich bin optimistisch, was die Fähigkeit der Menschheit angeht, Lösungen für diese Krise zu finden. Aber ich bin pessimistisch, was die Bereitschaft angeht, sie auch umzusetzen.«
Und so geschieht das denkbar Schlimmste. Während am Horizont biblische Unwetter heraufdräuen, steuern auch die Dramen innerhalb der Familie auf einen apokalyptischen Höhepunkt zu.
Ein packender Erzählstil, ein komplexes Handlungsgeflecht und bis ins Detail ausgearbeitete ( wenn auch nicht sonderlich sympathische) Figuren machen diesen Roman zu einem weiteren Meisterwerk des Autors. Seine originellen Ideen, der beißende Humor und die Wendungen, die er mit Sicherheit bereithält, überzeugen mich stets aufs Neue.
Es sind niemals leichte Themen, die T.C. Boyle in seinen Büchern verhandelt, und doch bringt er sie stets mit tiefgründigem Humor, leichter, wenn auch spitzer Feder und immer ohne moralisierenden Zeigefinger dar.
Bei allen Verlusten, die der Autor seine Figuren erleben lässt, ist er ihnen gegenüber dennoch fürsorglich . Auch wenn er sie durch die Hölle schickt, die Hoffnung nimmt er ihnen nicht. Hoffnung, die Raum zum Nachdenken und Handeln lässt.