Starker Tobak

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soaphie Avatar

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Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven und man sollte schon eine gewisse Lust am Ekel mitbringen.
Der Roman beginnt mit einem grausigen Mord an einer Studentin in einem IC nach Nordrhein-Westfalen. Von Anfang an schafft es Veit Etzold eine beklemmende Spannung aufzubauen. Man sitzt förmlich mit Mia im Zugabteil und ahnt, dass gleich etwas Furchtbares passieren wird. Den Tatort, den das Ermittlerteam vom LKA und der Bahnhofspolizei vorfindet lässt sie erstmal sprachlos zurück: die Frauenleiche ist inszeniert, Innereien nach außen gezogen und ein seltsames Zeichen ist mit Blut ans Fenster geschmiert.
Parallel dazu gibt es einen Schwenk auf Noah, einen 13 jährigen Schüler der im Internet in den Bann eines Killers gerät und instrumentalisiert wird. Der Schauplatz des nächsten Verbrechens ist Hannover, die Fälle werden sofort in Zusammengang gebracht und es beginnt die Suche nach dem Blutgott, der im Darknet auftaucht und u.a. Tutorials zum Entbeinen und Häuten der Opfer veröffentlicht. Seine "Jünger", die für ihn töten und an einer Art Challenge um die Gunst des Bluttgotts teilnehmen, sind alle unter 14 Jahre alt und damit strafunmündig.
Das ganze Buch ist eine Aneinanderreihung von Grausamkeiten und abartigen Foltermethoden. Sie scheinen jedoch vom Autor gut recherchiert zu sein, es gibt immer wieder Verweise zu Liedtexten und sogenannten Snuff Videos und Horrorfilmen aus der Szene. Auch mit 4chan, dem Darknet und Bitcoins scheint sich Veit Etzold auszukennen, die Ermittler und deren Methoden kommen glaubwürdig rüber. Ich habe mich beim Lesen oft gefragt, wieviel davon real ist. Meine Vorstellung reicht nicht so weit dass es diese widerliche Parallelwelt wirklich mit dieser abgebrühten Brutalität gibt! Oder sagen wir, ich will es mir nicht vorstellen...
Das Ermittlerteam ist interessant zusammengesetzt, am Ende arbeiten auch Personen von außerhalb des LKA mit. Die Romanfiguren sind gut dargestellt mit ihren Eigenschaften und Aufgaben im Team, sie sind alle symphathisch und authentisch, was das Mitfühlen und Mitfiebern auf der Jagd nach dem Blutgott sehr einfach macht. Als Leser*in wird man über jeden Schritt und die verschiedenen Überlegungen informiert und man ist immer mit dabei, was den Spannungsbogen erhält.
Der Plot am Ende war mir dann doch etwas zu schwach. Der Autor baut ganz viele Details zu einer langen Geschichte auf welche in der Überführung des Bluttgott endet. Ein abgelegener Bungalow in Brandenburg wird mit dem SEK gestürmt, es gibt einen Leichenfund, einen malträtierten, noch lebenden Menschen mit abgezogener Gesichtshaut, dann einen Schußwechsel (dass in dieser Situation, kurz vor dem Ziel, ein Anfängerfehler beim Sichern des Gebäudes passiert, fand ich unglaubwürdig und überflüssig!) und am Ende einen Autounfall. Die Schlussszene war dann echt mau, der Bluttgott und sein Jünger fahren gemeinsam die Landstraße weiter-fehlt nur noch der Sonnenuntergang!
Mit schien es, als ob Veit Etzold sich mit den ekligen Absonderlichkeiten auf ein Gruselniveau geschraubt hatte, von dem es kein adäquates, plausibles Ende gab. Etwas lustlos fällt der Spannungsbogen abrupt ab, die Story schnell zu Ende geschrieben, irgendwie bleibt das Ende damit offen, was ich nicht sonderlich mag.
Alles in allem ein spannendes Buch mit vielen Einblicken in die Pathologie und das Horrorgenre. Für das Ende hatte ich mir mehr erhofft.