Bleib nicht in dem finstren Wald

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owenmeany Avatar

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Nach vielen, vielen Harry Hole-Krimis ist mir der problematische Ermittler, gebeutelt von Schicksalsschlägen und seiner Alkoholsucht, aber getrieben von einem unerbittlichen Drang, den Kriminalfall zu lösen, so ans Herz gewachsen, dass ich keine Folge missen möchte, zumal ich nach dem "Messer" dachte: das war's dann.

Diesmal bleiben die krassen Alkoholexzesse aus, und es entwickelt sich eine Verbrechensaufklärung, die mehr verstandesgesteuert abläuft als von Actionszenen durchsetzt. Genial, wie der Meister der Dramaturgie Situationen entfaltet und damit eine ganz subtile Spannung erzeugt, wenn er die strategisch geschickt inszenierte Doppelbödigkeit auch manchmal auf die Spitze treibt und förmlich Schlittschuh fährt mit seinem Publikum. Doch das ist ein Thriller ja auch: ein vergnügliches Spiel mit den Rezipienten. Das ist mir besonders beim nachträglichen Zurückblättern aufgefallen: bei welchen Andeutungen man frühzeitig hätte stutzig werden sollen.

Verfilmt würde ich diese Geschehnisse schon aus ästhetischen Gründen nur schwer aushalten, aber während des Lesens trägt einen der Nervenkitzel zügig von Seite zu Seite, ohne große Rückblenden, aber mit der zweiten Ebene des Täters Prim, dessen Identität das zentrale Rätsel bildet. Auch hier setzt man sich wieder mit Zeichen der Verwahrlosung auseinander, sowohl bei Armen als auch bei Reichen, erlebt unauflösbare Konstellationen im Familien- wie im Liebesleben, aber auch bewegende Zeugnisse aufrichtiger Freundschaft.

Nesbø gelingt es wieder, dies alles zu einer richtig runden, überzeugenden Sache zu verschmelzen, und so habe ich den dicken Pageturner mühelos innerhalb weniger Tage bewältigt.

Eine Meisterleistung des Suspense ist der finale Showdown - Nesbø hat die Klaviatur der Effekte voll im Griff und lässt die Leser noch einmal Achterbahn fahren - typisch Nesbø halt.