Versöhnung (mit einer Leserin)

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Der früher brillante Kriminalermittler Harry Hole hat nach den traumatischen Erlebnissen seines letzten Falles (Messer) Oslo den Rücken gekehrt. Jetzt lebt er mehr recht und schlecht in L.A. um sich seiner großen Leidenschaft zu widmen: dem zu Tode trinken. Doch auch diesmal kommt er nicht weit damit, denn die ältere Kneipenbekanntschaft Lucille braucht dringend seine Hilfe, und da sie Harry ein wenig an seine Mutter erinnert, versucht er Ihr zu helfen. Doch wo soll er neunhundertsechzigtausend Dollar hernehmen?

Zeitgleich ahnt in Oslo seine ehemalige Kollegin Katrine Bratt dass die beiden derzeit verschwundenen Frauen in der Gewalt eines Serientäters sein könnten. Nach dem Auffinden der ersten Leiche ist sie sich ziemlich sicher es mit einem recht perfiden Mörder zu tun zu haben. Auf ihre Idee Harry Hole ausfindig zu machen um ihn um Hilfe zu bitten erhält sie eine klare Absage der Kriminalchefin. Ihre Vorgesetzte empfindet es als Demütigung solch eine abgewrackte Person als Ermittler einzusetzen. Der derzeit einzige Tatverdächtige der angeblich mit beiden Frauen ein Verhältnis hatte, ist ein Multimillionär, dem alle Wege offenstehen und so entscheidet er, dass für die Ermittlung seiner Unschuld nur der Beste infrage kommt. Er lässt Harry in L.A. aufspüren und kann ihn für den Fall doch noch engagieren.

Ich hatte erst so meine Bedenken, dieses Buch zu lesen, denn der Vorgänger war für die Reihe, den Autor und auch der Leserschaft eher ein Desaster. Doch wider Erwarten war ich von den ersten Seiten gefesselt. Jo Nesbø widmet sich in dieser Fortsetzung der Harry-Hole-Reihe neben den üblichen genretypischen Scheußlichkeiten einem weiteren unangenehmen Thema- Parasiten. Jeder hat sie, keiner möchte darüber reden und der Ansatz den der Autor hier beschreibt ist wirklich gruselig. Die Story dazu ist jedoch gut aufgebaut, die Charaktere individuell gezeichnet und es gibt jede Menge Spannungsbögen, knifflige und unerwartete Wendungen und ein actiongeladenes Finale. Bis zum Schluss ist die Frage nach der Identität des Mörders sehr verzwickt. Die Konstellation von Harrys Team, bestehend aus einem koksenden Schulfreund, einem korrupten Polizistenfreund und einem im Hospiz untergebrachten Psychologen birgt bisweilen eine eher unfreiwillige Komik. So ganz der „Alte“ ist Harry jedoch immer noch nicht, er macht auch in diesem Fall viele (unnötige) Fehler, vielleicht ist es aber auch die Absicht des Autors und dem immensen Alkoholkonsum des Protagonisten geschuldet.

Auch wenn „Blutmond“ noch nicht an „Der Schneemann“ zum Beispiel ran reicht, ist dieser Fall nervenzerreißend und actiongeladen mit schlüssiger Story.