Atmosphärisch

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**Öländischer Frühling...**

Per Mörner, Vater zweier Kinder, geschieden, erbt von seinem Onkel ein Haus auf Öland, wo er als Kind häufig die Ferien zusammen mit seiner Mutter verbrachte.
Pers Tochter Nilla liegt im Krankenhaus, mit einer Krankheit welche von den Ärzten im Laufe des Buches diagnostiziert werden wird. Zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Jesper soll sie Ostern auf Öland zusammen mit Per verbringen.

Jerry Morner ist Pers Vater. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist schlecht und von den Ereignissen der Vergangenheit und Jerrys Leben überschattet. Jerry war im Pornogeschäft tätig, brachte Zeitungen heraus und drehte Filme. Per konnte sich mit der Arbeit seines Vaters nie identifizieren und entfernte sich immer weiter von ihm, konnte sich aber nie von den Erinnerungen an seinen Vater und dessen Arbeit lösen. Jerry interessierte sich nie wirklich für seinen Sohn, zumindest nicht in der Zeit als er noch gesund war und sich der Arbeit widmen konnte. Sein Interesse für seinen Sohn entfacht nach seinem Schlaganfall.
Jerry ruft an, Per eilt ihm zu Hilfe und landet mitten in einem Flammeninferno, aus dem Per seinen Vater rettet und ihn anschließend mit zu sich nach Öland nimmt.
Irgendwer trachtet nach Jerrys Leben und auch Per befindet sich in Gefahr.

Gerlof Davidsson, ehemals Kapitän, 86 Jahre alt, entläßt sich selber aus einem Altersheim um zurück nach Öland zu kehren. Dort möchte er in seinem Haus die letzten Tage, Wochen, Monate, gar Jahre? seines Lebens verbringen. Auf Öland genießt er den beginnenden Frühling und verbringt seine Zeit unter anderem mit dem Lesen alter Tagebuchaufzeichnungen seiner Frau, die er hätte eigentlich verbrennen sollen und stößt auf mysteriöse Begebenheiten im Leben seiner Frau, von denen er nichts mitbekommen hatte.

Vendela und Max haben in unmittelbarer Nähe zu Per´s und Gerlof´s Grundstück ein Haus gebaut. Max ist ehemaliger Psychologe, arbeitet jetzt als Schriftsteller. Vendela hat einen Teil ihrer Kindheit auf Öland verbracht. Ihre Mutter starb früh und zusammen mit ihrem Vater hat sie versucht den Hof zu führen. Ein einsames und verlassendes Kind, das Trost bei den Elfen suchte. Die Beziehung zu den Elfen hat Vendela nie verloren und sie sind auch der Grund warum Vendela zurück nach Öland wollte. Sie bittet die Elfen um Hilfe, glaubt an ihre Kraft. Schon als Kind hat sie Opfergaben an einen bestimmten Stein gelegt und auch als Erwachsene tut sie dieses immer noch. Diese Opfergaben verschwanden und verschwinden tatsächlich. Alles spricht dafür, dass es Elfen tatsächlich gibt und sie Vendela zu Hilfe eilen.

Wer möchte Jerry umbringen, wer hat sein Haus angezündet? In welcher Gefahr schwebt Per? Was hat es mit der Krankheit von Nilla auf sich? In welchem Zusammenhang stehen Per, Gerlof, Vendela und Jerry? Wie groß sind die Schatten von Gerlofs Vergangenheit? Gibt es die Elfen tatsächlich? Was geschah und geschieht auf Öland? Diese und noch viel mehr Fragen stellen sich beim Lesen...


**Leseeindrücke**

Dieses Buch wird als Kriminalroman bezeichnet. Doch bis auf ca. Seite 230 fragte ich mich, wo genau die Kriminalhandlung liegt. Die Handlung beginnt sehr langsam, sehr gemächlich. Die verschiedenen Personen betreten nacheinander die Bühne, zuordnen konnte ich sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht und die große Frage in welchem Zusammenhang sie miteinander stehen, stand im Raum. Die Hintergründe der Personen werden durchleuchtet, man erfährt ein wenig über ihre Vergangenheit, über ihre gegenwärtige Lebenssituation. Die Handlung nimmt erst im Laufe der Handlung zu und wirklich rasant wird sie dann zum Ende hin.
Die Handlung begleitet eine ganz besondere Art von Spannung. Es ist das Unausgesprochene was interessiert, es liegt etwas in der Luft, das ich glaubte greifen zu können und doch entwischte es mir dann wieder. Ich möchte die Handlung und Spannung als psychologisch geschickt aufgebaut bezeichnen. Es werden dem Leser immer mal wieder kleine Häppchen zugeworfen, danach geht es etwas gemächlicher weiter und dennoch habe ich das Buch zu keiner Zeit als langweilig empfunden.

In diesem Roman werden viele verschiedene Themen angesprochen. Ein zentrales Thema stellt die Pornoindustrie dar, als dessen Stellvertreter Jerry in dem Roman agiert. In den von ihm herausgegebenen Zeitschriften und Filmen sind hauptsächlich Frauen zu sehen, die Männer interessieren weniger. Die Frauen als Ware, sie arbeiten unter Pseudonymen, sie sind jung und werden im späteren Leben oft von ihrer Vergangenheit eingeholt. Für die konsumierenden Männer sind es nur irgendwelche Objekte die beliebig ausgetauscht werden können. Das sich jedoch hinter diesen Objekten Menschen verbergen ist ihnen oftmals gar nicht bewußt. Per ist sich dessen bewußt und schon als Kind, als Teenanger hat er unter der Art wie sein Vater die Frauen behandelte gelitten. Diese Erlebnisse haben sein ganzes Leben geprägt. Wie geht ein Kind mit den Taten seiner Eltern um? Was macht ein Kind wenn es für das was die Eltern getan haben, eine Schuld empfindet?
Ein weiteres Thema in diesem Roman ist die Krankheit von Per´s Tochter. Wie geht man als Eltern damit um, wenn das eigene Kind plötzlich sehr krank wird? Was macht man, wenn man merkt, dass man kaum helfen kann, das man nur abwarten und den Ärzten vertrauen kann? Und wie geht dieses Kind selber damit um? Nilla´s Krankheit und ihre Krankenhausaufenthalte ziehen sich durch das komplette Buch. Zum Anfang liegt natürlich die Frage in der Luft, was Nilla hat und als dieses dann bekannt ist, die Frage ob sie überleben wird.
Vendela hatte keine schöne Kindheit, sie war ein sehr einsames und überfordertes Kind, dass auf Grund seiner Verpflichtungen nicht Kind sein durfte. Welche Folgen hat es auf das spätere Leben wenn ein Kind nicht Kind sein durfte? Welche Möglichkeiten hat ein Kind damit umzugehen? Viele Kinder flüchten in Fantasiewelten, Vendela hat sich die Welt der Elfen für sich als Fluchtmöglichkeit auserwählt. Eine Welt die für sie imme realer wird und sie bis in die Gegenwart nicht loslassen wird. Auch das sind Themen dieses Romans.
Gerlof blickt auf ein langes Leben zurück, das er auf Öland beenden möchte. Zum Anfang des Romans wartet er mehr oder weniger auf den Tod, doch im Laufe der Handlung wird er so von den Geschehnissen beeinflußt, dass ihm gar keine Zeit mehr bleibt um an den Tod zu denken. Wie geht man mit dem Alter, dem Altern um und wie lebt man damit, wenn man auf Grund seines Alters weiß, dass das eigene Leben bald zu Ende gehen könnte? Die Wichtigkeit eines Ziels im Alter, einer ausfüllenden Beschäftigung, auch damit wird der Leser in diesem Roman konfrontiert.

Die Handlung spielt zum größten Teil in der Gegenwart. Abgelöst werden diese Passagen durch kleine Ausflüge in Vendelas Kindheit und in die Tagebuchaufzeichnungen von Gerlofs Frau. Auch hier hatte ich bis weit über die Mitte des Buches hinaus keine Ahnung, in welchem Zusammenhang diese Beschreibungen mit der Gegenwart stehen. Ich befürchtete schon, dass dieses Buch zu denen gehören könnte, an dessen Ende man als Leser mit unzähligen Fragen alleine zurückgelassen wird, den Plot als unausgegoren und schlecht empfindet. Aber das ist bei "Blutstein" absolut nicht der Fall. Es blieben keine Fragen zurück, nach und nach entwickeln sich die Zusammenhänge, die Spannung steigt dadurch und ich fühlte mich bestens unterhalten.

Der Protagonist dieses Buches ist wohl Per. Ihn begleitet der Leser am meisten und an seiner Gefühlswelt kann der Leser am intensivsten teilnehmen. Allerdings bleiben all die anderen Charaktere keineswegs blass neben ihm und erschienen mir nicht als Randfiguren oder gar als eine Art Lückenfüller. Ich war nach dem Lesen dieses Buches absolut fasziniert von der Entwicklung der Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren, gerade weil diese lange Zeit für mich nicht ersichtlich waren.

Irgendwie hatte ich beim Lesen immer wieder das Gefühl, als wenn es sich gar nicht um einen Kriminalroman handeln würde. Sicher, es gibt Tote und ich wollte natürlich auch wissen wer sie sind, waren und wer sie umgebracht hat, aber das stand für mich nicht im Vordergrund. Mich interessierte vielmehr die Beziehung zwischen Per und seinem Vater, zwischen Per und seinen Kindern. Solch ein Interesse weckte auch die Person Vendela in mir, sie alleine macht dieses Buch schon lesenswert.
Was ich besonders gut fand, dass ich an keinen Ermittlungen der Polizei teilhaben brauchte. Mir blieben sämtliche Ermittlerklischees erspart. Sicherlich ist das auch ein Grund warum die Kiminalhandlung fast schon im Hintergrund ablief.

Ein ganz besonderes Highlight dieses Romans ist die Insel Öland mit seiner Natur und dem Wetter. Stellenweise kann man das Buch fast schon als Naturführer betrachten. Das Wetter spielt eine sehr große Rolle und so erlebt der Leser den beginnenden Frühling mit. Die schwindende Kälte, die Nässe, das erwachende Grün, die ersten Insekten des Jahres. Dadurch wird noch einmal eine ganz besondere Atmosphäre geschaffen, die alleine dieses Buch ebenfalls schon sehr lesenswert macht. Ich mag Wetterbeschreibungen in Büchern, ich mag es wenn ich an der Natur teilhaben kann und ich habe das Lesen dieser Stellen besonders genossen.

Den Stil habe ich sehr unterschiedlich empfunden. Manchmal eher ausschmückend, dann neutral und ein anderes Mal fast schon unterkühlt. Diese Wechsel fand ich interessant und sie trugen sicherlich auch zu der schon angesprochenen besonderen Atmosphäre dieses Buches bei.
Insgesamt würde ich den Roman als leicht lesbar bezeichnen, der auch für einen ungeübten Leser keine große Herausforderung darstellen dürfte.

Für mich war "Blutstein" einer der besten Kriminalromane die ich in letzter Zeit gelesen habe und war tatsächlich etwas traurig, als ich auf der letzten Seite angelangt war, was bei mir sehr für ein Buch spricht.

 

**Fazit**

Ein ausgezeichneter Roman mit einer ganz besonderen Atmosphäre, vielen verschiedenen Themen und unterschiedlichen Charakteren. Ein Kriminalroman den ich euch sehr gerne ganz uneingeschränkt empfehlen möchte.