Traurige Kindheit - kalte Gegenwart

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suse9 Avatar

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Man kann nicht behaupten, dass der Roman "Blutstein" leise beginnt. Per Mörner wartet mit Benzin übergossen auf das brennende Streichholz, welches schon angezündet ist. Sein Flehen um Gnade verhallt ungehört und so bleiben ihm nur noch wenige Sekunden zu leben.

Der Einstieg in den Roman ist also alles andere als einfach, und doch geht er dann ruhig weiter. Johan Theorin hat hier keinen actionreichen blutrünstigen Roman vorgelegt. Die menschlichen Tragödien entblättern sich nach und nach und halten uns in Atem. Da ist Per, der versucht, zu seinem introvertierten Sohn Zugang zu finden, dabei jedoch ständig in Gedanken bei seiner Tochter Nilla ist, die mit einer geheimnisvollen Krankheit im Hospital liegt. Auch seine Nachbarn Vendela, die ihrer Tablettensucht und ihrem dominanten Mann mit joggen zu entkommen versucht und Gerlof, der sich selbst aus dem Altenheim entlassen hat, um in seinem Heimatort zu sterben, haben ihre Vergangenheit und Sorgen. Im Mittelpunkt steht aber das Erbe, welches Per durch die Vergangenheit seines Vaters aufgebürdet wird und welches er versucht, durch Aufklärung ablegen zu können. Auch wenn ihn nichts mit seinem Vater verbindet, ja Hass und Verachtung zwischen ihnen herrschen, kümmert sich Per trotzdem in den letzten Tagen um den Mann, der ihn und seine Mutter im Stich gelassen hat. Er versucht zu verstehen, warum dieser so gelebt hat wie er lebte und warum er nicht in der Lage war, seinem Sohn die Liebe und Anerkennung zu geben, die dieser so bitter nötig gehabt hätte.

Tragödien, menschliches Versagen, Kälte und Einsamkeit führen zu Rache und Gewalt. Spektakuläre Verfolgungsjagden und blutgetränkte Detailaufnahmen von Toten sucht man im Roman "Blutstein" vergebens und dennoch hält der Autor die Spannung, die er eingangs geschaffen hat, konsequent aufrecht, und bis zum Schluss jage ich durch die Seiten. Nur schwer kann ich mich davon abhalten, den Schluss vorzulesen. Mit den leisen Tönen, die im Kontrast zu dem Dargestellten stehen, schafft Johan Theorin eine düstere Atmosphäre. Die Handlung verläuft nie so wie ich es erwarte, und nicht nur einmal musste ich das Buch kurz zur Seite legen, um das beschriebene Leid zu verarbeiten.

Mit "Blutstein" liegt uns ein Roman vor, der im Ganzen stimmig ist. Titel, Cover, Schreibstil und Handlung bilden eine Einheit und werden mich noch lange Zeit beschäftigen.