Eine verdammt gute Geschichte?

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Was ist das beste, womit man für einen neuen Roman werben kann? Mit guten Kritiken anderer Bestsellerautoren, würde ich mal sagen. Ein Punkt, der meine Neugier für Harry Dolans Krimi „Böse Dinge geschehen“ geweckt hat, waren die positiven Statements, z.B:  von Karin Slaughter „Das hält einen bis zur letzten Seite in Atem. Ein unglaublich vielschichtiges, gescheites Buch – und vor allem eine verdammt gute Geschichte.“ Und auch das Lob ihres Kollegen James Patterson, hat durchaus einen Ausschlag für mich für diesen Roman gegeben.

Doch hält Harry Dolan, was sein Verlag und was seine Kollegen sich und uns Lesern von ihm versprechen. Ich habe Testgelsen. Mein Urteil nun wie üblich Stück für Stück.

 

 

Inhaltsverzeichnis:

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1. Der Autor: Harry Dolan

2. Ort und Zeit der Handlung

3. Die Hauptfiguren:

\*\*\*a) David Loogan

\*\*\*b) Tom Kristoll

\*\*\*c) Laura Kristoll

\*\*\*d) Elizabeth Waishkey

4. Die Geschichte

5. Themen

\*\*\*a) Mord oder Selbstmord

\*\*\*b) erzählte und tatsächliche Geschichte

\*\*\*c) echte und selbst ernannte Ermittler

6. Erzählweise

7. Vergleich mit Slaughter

8. Übersetzung

9. Zielgruppe

10. Daten zum Buch

11. Pro & Contra

12. Fazit

 

 

1. Der Autor: Harry Dolan

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Schon der Name des Autors erweckt bei mir zum ersten Mal ein Gefühl, eine Erinnerung: Er klingt für mich nach einem etwas abgehalfterten Privatermittler in einer bestenfalls mittelprächtigen Geschichte.

Auch das Bild des Mannes erweckt bei mir nicht das allergrößte Vertrauen. Wenn drunter stehen würde „der Angeklagte“ würde ich das fast eher glauben als zu lesen „der Bestsellerautor“ ... Das liegt vielleicht eher an der Frisur und der Perspektive der Aufnahme als an ihm selber. Doch oft täuschen ja solche optischen Eindrücke ... Und andererseits lächelt Dolan immerhin auf dem schwarz-weiß Bild.

Dolan wurde in Rome, im US-Bundesstaat New York geboren. Er studierte zunächst an der Colgate-University (klingt für deutsche Ohren eher nach Zahncreme).und dann an der Universität von North Carolina. Er machte einen Master-Abschluss in Philosophie und arbeitete als freier Redakteur. Inzwischen lebt Harry Dolan in der Universitätsstadt Ann Arbor im US-Bundesstaat Michigan. Informationen über ihn und über seinen Roman „Bad Thrings Happen“ findet man unter [http://www.harrydolan.com/](http://www.harrydolan.com/) und auf Dolans Facebook-Seite: [http://www.facebook.com/pages/Harry-Dolan/43617598421](http://www.facebook.com/pages/Harry-Dolan/43617598421)

 

 

2. Ort und Zeit der Handlung

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Die Geschichte spielt in Dolans jetziger Heimatstadt Ann Arbor. Ich selber habe an der Univeristät dort für meine Magisterarbeit recherchiert, fand die Stadt eher klein, aber es leben immerhin 114000 Einwohner dort.

Beides zusammen sorgt dafür, dass der Rahmen der Geschichte auch selbst dem deutschen/deutschsprachigen Leser nicht zu fremd ist.

 

 

3. Die Hauptfiguren

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\*\*\*a) David Loogan

Im ersten Moment wirkt Loogan wie der Täter: Er besorgt sich einen Spaten, offenbar um jemanden/eine Leiche zu vergraben.

Dann lernt man als Leser Loogan von einer anderen Seite kennen: er schreibt Kurzkrimis, hat einen Blick für gute Geschichten und wird damit Mitglied im Team eines Krimi-Magazins. Er wirkt freundlich, als Leser mag man ihn schnell ganz gut leiden. David freundet sich mit dem Herausgeber Tom Kristoll an – und beginnt eine Affäre mit Kristolls Frau Laura, was wiederum die einen Leser als clever, die anderen als Betrug in doppeltem Sinne verstehen können (er betrügt Tom als Ehemann und als Freund). In der Geschichte übernimmt er auch die Initiative, stellt selber nach dem zentralen Mord der Geschichte Nachforschungen an.

 

\*\*\*b) Tom Kristoll

Der Herausgeber des Krimi-Magazins ist eine zwispältige Figur und steht damit vielleicht auch für die Zwispältigkeit der Geschichte selber: Tom ist einerseits einer, der Sachen anstößt: Er hat das Magazin aus dem Boden gestampft, andererseits einer, der sich als „hängen geblieben“ empfinddet. Er veröffentlicht die Geschichten der anderen.

Dann überrascht er David ... mit einer Leiche. Die Geschichte, die er dem Freund auftischt, erweist sich später als unwahr. Wer war Tom also wirklich? Der ehrliche Herausgeber? Oder hatte er Dreck am Stecken?

 

\*\*\*c) Laura Kristoll

Eigentlich ist sie für eine Hautpfigur etwas zu dünn gezeichnet. Laura ist Professorin, eigentlich beruflich erfolgreicher als ihr Mann und noch dazu bei den Männern an sich begehrt, sie wird unter anderem von ihren Studenten angehimmelt ... Sie beginnt eine Affäre mit David Loogan.

 

 

\*\*\*d) Elizabeth Waishkey

Elizabeth Waishkey ist die Ermittlerin der Geschichte. Aufällig ist: Während die anderen Charaktere oft beim Nachnamen oder mit vollem Namen benannt werden, spricht der Autor Harry Dolan die meiste Zeit von ihr als „Elizabeth“. Vielleicht auch dadurch gewinnt man eine gewisse Nähe zu dieser Figur.

Auch sie macht einen sympathischen Eindruck, ist vielleicht der Charakter, mit dem ich als Leserin am liebsten Zeit verbracht habe. Trotzdem ist sie mir nicht vielschichtig genug, um sie wirklich sehr zu mögen.

 

 

4. Die Geschichte

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„Böse Dinge geschehen“ beginnt zunächst in einem Baumarkt. Ein Mann – wie sich später herausstellt David Loogan – kauft einen Spaten. Ist er ein Mörder, der eine Leiche verscharren will.

Tatsächlich muss David einen Toten unter die Erde bringen. Sein Chef und Freund Tom Kristoll kommt mit einer außergewöhnlichen Bitte. Ein ehemaliger Häftling, der auch für das Krimi-Magazin geschrieben hat, soll Tom bedroht haben. Tom behauptet, er habe den Mann quasi in Notwehr getötet. Gemeinsam mit David vergräbt er die Leiche.

Kurz darauf ist Tom selber tot. Auf den ersten Blick wirkt es wie Selbstmord, ein Sturz aus dem Fenster. Doch die Ermittlerin Elizabeth Waishkey erkennt schnell: Tom hat eine Wunde am Kopf wurde mit einem Gegenstand (wahrscheinlich einem schweren Shakespeare Band) erschlagen. Sie beginnt die Ermittlungen bei den Autoren des Krimi-Magazins. Dabei stößt sie auch auf David Loogan und seine Affäre mit Toms Frau Laura Kristoll, auf einen weiteren Verehrer und Studenten von Laura und auf einige weitere schräge, aber zugleich und zumeist auch langweilige Gestalten.

Und auch David stellt Nachforschungen an. Er findet heraus, dass der Mann, den er mit Tom vergraben hat, nicht der Ex-Häftling war, für den Tom ihn ausgegeben hat. Warum hat Tom also gelogen? Und wer war der Tote wirklich?

Die Geschichte erinnert mich – ebenso wie schon der Name Harry Dolan – sehr an etwas altmodische Krimi-Geschichten mit Privat-Ermittlern. Es wirkt auf mich vieles recht angestaubt, vieles nicht sehr professionell.

 

 

5. Themen

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Harry Dolan nutzt in seiner Geschichte einige Kontraste und versucht, damit Spannung aufzubauen.

 

\*\*\*a) Mord oder Selbstmord

Einer ist die Frage, ob der Tod von Tom Kristoll Mord oder Selbstmord war. Auch ein zweiter, späterer Todesfall ist ein als Selbstmord (ein Student und Verehrer von Laura wird mit Pistole in der Hand und Kugel im Kopf vorgefunden) getarnter Mord.

In beiden Fällen scheint diese Tarnung aber zu offensichtlich, zu stümperhaft, so dass selbst routinierte Krimi-Leser relativ schnell auf den Gedanken an Mord kommen und ihn erkennen.

 

\*\*\*b) erzählte und tatsächliche Geschichte

Auch die Frage, wer die Wahrheit erzählt und wer noch eine Story erfindet, spielt immer wieder eine Rolle. Was hat es mit dem ersten Toten auf sich? Die von Tom Kristoll erzählte Geschichte stimmt jedenfalls nicht. Und auch das, was die Mörder von Tom und vom Studenten später vortäuschen wollen, die Geschichte, die sie mit gewissen Inszenierungen der Tatorte erzählen wollen, ist so nicht wahr. Und dann sind da noch die diversen Autoren des Krimi-Magazins: Sind ihre erzählten Geschichten, die Zeugenaussagen, die sie machen, Wahrheit oder ebenfalls erfunden.

 

\*\*\*c) echte und selbst ernannte Ermittler

Sowohl Elizabeth und ihre Kollegen als auch David Loogan versuchen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. David hat vielleicht den Vorteil, dass man ihm als normalem Menschen eher vertraut. Außerdem kennt er sich als Krimi-Autor ein wenig mit Verbrechen und als Kollege ein wenig mit den anderen Autoren aus.

Elizabeth dagegen hat als „echte Polizistin“ mehr Routine und mehr sonstige Möglichkeiten, um den Mord an Tom Kristoll aufzuklären. Ob es letztlich ihr oder David oder niemandem gelingt, wird hier nicht verraten.

 

 

 

6. Erzählweise

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Harry Dolan erzählt die Geschichte in der dritten Person. Als Leser at man dadurch eine gewisse Distanz zu den Figuren. Außerdem wechselt er zwischen den diversen Charakteren. Das führt dazu, dass man im wesentlichen nur zwei Protagonisten (David und Elizabeth) intensiver kennen lernt.

Die Erzählweise ist nicht ungewöhnlich für einen Krimi, sie ist solide, aber nicht herausragend.

 

 

7. Vergleich mit Slaughter

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Weil die amerikanische Bestseller-Autorin Karin Slaughter durch ihr Zitat quasi als Referenz für Harry Dolan heran gezogen wurde, war ich auf den Gedanken für einen Vergleich zwischen ihr und Dolan gekommen. Der Vergleich ist aber auch eher der Vergleich zwischen zwei gegensätzlichen Möglichkeiten: Dolan erzählt seine Geschichte aus meiner Sicht eher wie einen altmodischen Detektivroman, angestaubt, mit Morden, aber eher mit harmlosen Morden und mit Zeugenbefragungen, die mich eher an Miss Marple erinnern: Die Zeugen werden der Reihe nach befragt, es gibt keine großen Überraschungen.

Slaughter dagegen wartet mit brutaleren Morden, mit mehr Psychologie und mit plastischeren Charakteren auf. Ihr Trumpf ist natürlich auch, dass man die Charaktere inzwischen kennt und so ein Wiedersehen mit ihren Ermittlern feiern kann.

 

 

8. Übersetzung

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Martin Ruben Becker hat „Bad things happen“ ins Deutsche übersetzt. Gut gefällt mir, dass der Titel direkt übernommen wurde. Man hat hier keine schwülstige deutsche Umschreibung gefunden wie es beispielsweise bei den Übersetzungen von Elizabeth George.

Ansonsten scheint mir die Sprache in der deutschen Fassung des Romans sehr einfach gestrickt. Doch das ist sicher schon im englischsprachigen Roman begründet. Die Übersetzung weißt meiner Ansicht nach keine großen Stolpersteine auf. Sie ist somit absolut in Ordnung.

 

 

9. Zielgruppe

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Ich persönlich würde diesen Roman nur sehr bedingt empfehlen. Daher ist es schwierig, eine Zielgruppe zu benennen. Am ehesten würde ich – ähnlich wie schon in der Beschreibung – Liebhabern etwas altertümlich gestrickter Krimi-Geschichten Marke Agatha Christies Miss Marple zu diesem Roman raten.

 

 

10. Daten zum Buch

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Harry Dolan – Böse Dinge geschehen, übersetz von Martin Ruben Becker

Dtv Deutscher Taschenbuch Verlag (1. November 2010), 416 Seiten, 14,90 Euro

ISBN-10: 3423248122, ISBN-13: 978-3423248129

Originaltitel: Bad Things Happen

 

 

11. Pro & Contra

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Pro:

- einige gute Grundideen

- Hauptfiguren grundsätzlich sympathisch

 

Contra:

- etwas altbacken

- zu wenig Spannung und Tempo

- Hauptfiguren sind etwas zu dünn gezeichnet

 

 

12. Fazit

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Für mich war „Böse Dinge geschehen“ leider keine „verdammt gute Geschichte“. Die Ankündigung von Karin Slaughter hat sich für mich nicht bewahrheitet. Und auch vom Titel „Böse Dinge geschehen“ hatte ich mir mehr Spannung und Tempo versprochen. Doch statt desse habe ich eine etwas altbackene Geschichte vorgefunden.

Es gibt zwar gute Grundideen, doch die sind eher wie ein Krimi von 1950 erzählt, als mit Tempo. Für die Hauptfiguren hat Autor Harry Dolan zwar ganz gute Ansätze gefunden, die aber nicht gut genug umgesetzt. Die zentralen Charaktere sind mir zu dünn gezeichnet.

Alles in allem bin ich eher enttäuscht von diesem Roman „Böse Dinge geschehen“ von Harry Dolan. Ich vergebe ihm faire drei Sterne, würde ihn aber Freunden nicht empfehlen.