Böses Kind, superspannender Krimi!

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laberlili Avatar

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„Der erste Fall für Kommissar Frei“ von Martin Krist war zugleich „das erste Buch Krists für mich“. Zunächst in der Vorstellung hier bei Vorablesen entdeckt, hatte mich die Kurzbeschreibung gar nicht so sehr angesprochen; ich habe nichtmals die Leseprobe gelesen. Zufällig stolperte ich aber über eine Diskussionsrunde, in der man angesichts des neuen Krist-Thrillers so begeistert, wenn nicht gar völlig euphorisch, war, dass ich den Roman doch unbedingt lesen wollte. Die Leseprobe führte ich mir dennoch nicht zu Gemüte und inzwischen hatte sich mir die Gelegenheit geöffnet, ein Rezensionsexemplar via NetGalleyDE zu beziehen, welche ich allzu gerne ergriff. Denn so konnte ich mir schon ganz besonders frühzeitig ein Bild von diesem Buch machen, auf welches ich durch die Schwärmereien der Anderen total scharf geworden war und ich bin nicht gerne geduldig, wenn ich es nicht sein muss.

JETZT muss ich es dummerweise sein: Denn der Anhang meines eBooks verrät mir, dass der zweite Fall für Kommissar Frei erst im Mai 2018 erscheinen soll. Angesichts dessen, dass wir demnächst erst Weihnachten feiern werden, wäre mir Ostern als VÖ-Termin schon zu weit weg. Yep, ich habe mich bei jenen Krist-Infizierten offenbar mit dieser Schwärmen-Epidemie angesteckt: Ich habe diesen Krimi quasi gefressen. Oder eher weggetrunken, wie ich auch einen süßen Mocktail in einem Zug leeren kann.
An „Böses Kind“ war allerdings rein gar nichts süß: Mehr oder minder werden zwei verschiedene Erzählstränge wiedergegeben, die weitgehend parallel zueinander verlaufen, sich manchmal in ihrem jeweiligen Verlauf überschneiden und erst letztlich verknüpft werden. Teilweise zweigen Sackgassen von ihnen ab, manchmal auch Wege, die einfach nur ins Nachts zu führen scheinen und niemals werden aber diese beiden ursprünglichen Spuren aus dem Blick gelassen. Man verliert sich nicht in der Geschichte; die Handlung bleibt immer nah bei einem – in all ihrer Brachialität, Kälte, Verzweiflung, Leere: Ein Liebesroman ist dies definitiv nicht; die alleinerziehende, teilzeittätige Mutter von drei Kindern, die zusammen in einer billigen Zweiraumwohnung hausen, deren Preis es ihr schon verbietet, in einer auch nur mittelmäßigen Gegend zu sein, ist heillos überfordert. Nun ist die 14jährige Tochter Jaquie plötzlich verschwunden, was an sich nicht ungewöhnlich sei: Ungewöhnlich sei eher, dass sie nach einer Nacht, die sie sich sonstwo um die Ohren geschlagen habe, nicht nach Hause gefunden habe, und auch nach 24 Stunden noch abgängig ist.
Der Kommissar Henry Frei hat grade erst mit seinen Kollegen einen Fall zum Abschluss gebracht und wird nun zusammen mit seiner Kollegin Louisa Albers, nach der Geburt ihres ersten Kindes, das sich als Schreibaby entpuppt hat, kürzlich erst in den Dienst zurückgekehrt zum Fundort einer brutal zugerichteten Leiche gerufen – und plötzlich scheinen sie den Fall eines potentiellen rituellen Serienmörders zu bearbeiten …

„Böses Kind“ ist sehr rasant erzählt: Man spürt den Druck, der auf der Polizeiarbeit liegt; die Angst, weitere Opfer zu finden und die Hektik, mit der ein gefährlicher Killer gefasst werden soll. Zugleich menschelt es auch bei den Ermittlern: Der Kommissar ist zunächst entsetzt, dass Suse die Freunde ihrer Tochter und ganz besonders DEN Freund nicht kennt, muss aber feststellen, dass es ihm mit seiner Teenie-Tochter nicht viel anders geht und dass sein Asperger-diagnostizierter achtjähriger Sohn auch eine besondere Belastung für das heimische Familienleben darstellen kann. Die junge Mutter, mit der er zusammenarbeitet, kann Suses Stress nur so lange nicht nachvollziehen, wie ihr nicht bewusst ist, dass ihr eines Kind, das sie zusammen mit ihrem Mann großzieht, sie zuweilen schon an den Rand der Erschöpfung treibt. Mir gefiel es sehr gut, dass auch die Polizisten da als Menschen mit Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen, dargestellt wurden, die auch nach Feierabend nie wirklich abschalten konnten, sofern der aktuelle Fall noch so weit offen war, die aber trotzdem versuchten, ihre Arbeit nicht zu sehr ins Privatleben hineinzulassen. „Böses Kind“ konzentrierte sich da auch weiterhin auf die „echte“ Polizeiarbeit, schwenkte nie zu sehr zu den Polizisten als Privatpersonen hinüber; das blieb eine gut und völlig passend um- und eingesetzte Randthematik.

Ich fand „Böses Kind“ kaum vorhersehbar; zu viel lag im Dunkeln, zu viel war selbst in den jeweiligen Umfeldern nicht bekannt und wenn niemand wen wirklich kennt, wen will man da verdächtigen?
Anfangs heißt es bereits angesichts des vorherigen Falls, dass derlei Mordfälle sich häufig auf die banalste Weise lösen lassen; „Böses Kind“ schrammt immer wieder an dieser Aussage vorbei, das Ende schlägt auch wieder einen Haken hierhin, aber in „Böses Kind“ scheint nichts banal zu sein; die absolute Intransparenz zwischen den Figuren, die involviert sein könnten, lässt eine Durchsichtigkeit kaum zu … und ich war wirklich überrascht, dass sich das ganze Konstrukt mit einem einzigen Zug an den Fäden noch so wohlgefällig auflösen ließ.

Insgesamt hat mich „Böses Kind“ absolut begeistert – bis auf den Schluss, welcher dem Tempo des Falls absolut entsprach und demnach völlig passend war: Denn der Fall ist grad aufgeklärt, da wird Frei schon wieder zur nächsten Ermittlung gerufen und der Roman endet so plötzlich, dass sich die nächste Geschichte nahtlos hier anschließen könnte und ich hier auch ganz unbedingt direkt weiterlesen wollte. Tja, und da bin ich nun, und Mai 2018 ist noch furchtbar weit weg. :(