Dylan und Joseph

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milena Avatar

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A. J. Grayson ist eine sehr lohnende Neuentdeckung für mich. Sein "Boy in der Park" mit dem Untertitel "Wem Kannst Du Trauen ?" beginnt sehr harmlos. Dylan ist Angestellter in einem Laden, der Bioprodukte und Nahrungsergänzungsmittel verkauft, klamm bei Kasse und weitgehend ohne soziale Kontakte. Er führt ein sehr ruhiges und sehr geregeltes Leben. In der Mittagspause geht er in den Botanischen Garten der Stadt San Francisco, setzt sich etwas abseits vom Trubel auf eine Parkbank und versucht die jeweilige Stimmung in Gedichtform zu notieren. Der Leser erfährt, dass er bereits Dutzende von Notizbüchern verfasst hat, ohne dass jemals eines seiner Gedichte veröffentlicht worden wäre. Seit geraumer Zeit kommt eben um die Zeit auch ein Junge in den Park, der mit einem Stock an einem Ententeich spielt und die Wellen antreibt. Der Junge trägt immer eine Latzhose und ein helles T-Shirt und ist immer alleine. Eines Tages beobachtet Dylan, dass der Junge Verletzungen hat, eine blutende Wunde und große blaue Flecken. Seltsamerweise macht er die gleiche Begegnung am nächsten Tag wieder. Der Junge scheint also niemanden zu haben, der sich um ihn kümmert, die Verletzungen bemerken und sie versorgen würde. Nach einer schlaflosen Nacht entschließt sich Dylan dazu, den Jungen anzusprechen und ihm seine Hilfe anzubieten. Aber als er das machen will, wird der Junge in ein Gebüsch gezogen und bleibt von da an verschwunden. Der Versuch, den Fall bei der Polizei zu melden, scheitert an den dürftigen Informationen, die Dylan hat, und an dem Misstrauen, die seine Äußerungen bei der Polizei hervorrufen. Er entschließt sich daher auf eigene Faust zu ermitteln. Bis zu diesem Moment ist für den Leser alles noch nachvollziehbar. Als Dylan dann aufgrund einer beiläufig im Park gefundenen Quittung über einen Tetrapack Fruchtsaft eine Verbindung zu dem entschwundenen Jungen herstellt, sich Urlaub nimmt, in die mehrere Hundert Kilometer entfernte Stadt aufbricht, dort die Supermarktbesitzer nach einer Familie mit einem Jungen im passenden Alter befragt, sich vor passenden möglichen Wohnhäusern des Jungen auf die Lauer legt, beschleichen einen die ersten Ahnungen, dass sich unter der Oberfläche des Erzählstranges noch etwas ganz Anderes verbirgt. Hierzu passt auch der zweite Erzählstrang, der die Begegnungen von Joseph mit einer Psychiaterin beschreiben. Joseph behauptet seine Frau umgebracht zu haben und wird immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass er nie verheiratet war und nach einem Jungen befragt, was zu Aggressionsausbrüchen bei Joseph führt. Es ist sehr spannend zu erfahren, wie Joseph und Dylan zusammengehören, was es mit dem Jungen im Park auf sich hat und was Realität und was Fiktion ist. Ich habe das Buch an einem Tag durchgelesen, fand es anfänglich etwas verstörend und schlussendlich sehr traurig aber absolut empfehlenswert.