Langatmig, aber mit raffiniertem Ende

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
kainundabel Avatar

Von

Die Handlung des Romans kommt anfangs ausgesprochen ruhig daher. Doch man spürt beim Lesen zunehmend, dass sich Unheil anbahnt. Und in der Tat erweist sich diese Ruhe als trügerisch. Dylan, Ich-Erzähler, Kassierer in einem Laden für Naturkost und Nahrungsergänzungsmittel und selbst ernannter, jedoch bisher verkannter Dichter, kommt mir wie jemand vor, den ich schon lange kenne. Fast beschaulich und unaufgeregt erzählt er über sein recht monoton verlaufendes Arbeitsleben in San Francisco. Die seit eineinhalb Jahren währende Beobachtung eines blonden Jungen im Botanischen Garten - für Dylan gehört sie in seiner Mittagspause einfach dazu. Heute aber macht ihn eine Verletzung des Kindes aufmerksam. Als er sich deshalb dem Kind nähert, verschwindet es plötzlich spurlos und Dylan nimmt die Suche nach ihm auf. Ich liebe dieses langsame Eintauchen in Personen und Handlungen, diese sich einschleichende Spannung, den unaufgeregten Sprachstil und die sich geschickt hinziehende Ungewissheit. Erst ganz am Ende des Buches erfährt der Leser die psychologisch-raffinierte Auflösung des Falles. Dazwischen aber liegen leider über 300 Seiten, die es zu überbrücken gilt. Dabei gelingt es dem Autor nicht, die aufgebaute Spannung zu halten und die Erwartungen zu erfüllen. Die Handlungsfolge erscheint mitunter ausgesprochen willkürlich, unlogisch, zäh, langatmig und kaum nachvollziehbar. Nachdem man dann letztendlich die Konstellation durchschaut, ist es für den Leser müßig, sich alle diese Details im Nachgang nochmals zu vergegenwärtigen, um sie entsprechend interpretieren zu können. Der Verlag wird für das im November erscheinende Buch bundesweit fleißig die Werbetrommel rühren und sicher eine entsprechend hohe Leserzahl requirieren. Meine anfänglichen hohen Erwartungen hat der Roman leider nicht erfüllt.