Themaverfehlung

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Die Idee hinter dem Buch "Boys! Geschichten für die neue Generation von Jungs" hört sich zunächst sehr vielversprechend an:
Wollen wir eine Gesellschaft, in der jeder Mensch alles sein kann und so sein kann wie er ist, müssen wir auch jungen Menschen aller Geschlechter diese Freiheit vermitteln.

Denn genau das wären wir in einer Welt ohne patriarchale Strukturen: Frei.
Frei von dem Gefühl, stets freundlich lächeln und aus Fürsorge selbst zurückstecken zu müssen, weil es "weiblich" ist.
Frei von dem Gefühl, Emotionen zu unterdrücken und stets Stärke zeigen zu müssen, weil es "männlich" ist.
Frei von Erwartungen an uns aufgrund eines gewissen Geschlechts.

Dazu, so hatte ich es mir erhofft, würden die 12 Kurzgeschichten sicher etwas beitragen können. Leider wurde ich weitgehend enttäuscht. Anstelle von Geschichten, die Kinder darin bestärken, sie selbst zu sein, gibt es sehr abstrakte, teils wirklich absurde Geschichten, deren Metaphern die junge Zielgruppe nicht nur kaum verstehen, sondern die sie möglicherweise auch etwas verstört zurücklassen werden.

Ich war es zumindest, als in Geschichte 2 ein Krokodil einer Piratin den Arm abreißt, welchen ihr ihr Erzfeind freundlicherweise anschließend wieder annäht und sich währenddessen in sie verliebt. Von ihr erhält er dafür jedoch anstelle eines Danks einen Korb - da schnappt er sich den Schatz allein und verschwindet.

Ebenso wie in Geschichte 5, in der das Desinteresse des Vater an seinem Sohn dafür sorgt, dass beide von einem Turm stürzen (den der Vater bauen lässt) und sterben. Da verdonnert der Vater den Sohn dazu, nun auch in Geistergestalt noch weiter an besagtem Turm zu bauen.

Was soll man dazu sagen?
Ich habe ein 14-Punkte-Deutsch-Abi, studiere Soziale Arbeit und dennoch will sich mir der pädagogische Mehrwert einiger dieser Geschichten partout nicht erschließen. Das Einzige was hier deutlich wird ist, welchen Mehrwert unser Kinder- und Jugendhilfesystem hat, denn das hätten sämtliche "Planeten", deren Geschichten in diesem Buch erzählt werden, definitiv nötig.

Kurzum:
Es sind immer wieder gute und richtige Ansätze in den Erzählungen erkennbar, die die eigentliche Idee des Buches widerspiegeln (ich fand es z.B. sehr cool, als die Fröschin in Geschichte 9 die Schlange, vor der sie ihr Liebhaber retten wollte, einfach kurzerhand selbst erledigt hat :-)). Allerdings kommen diese deutlich zu kurz bzw. werden in einer Form dargestellt, die Kinder wohl kaum nachvollziehen können.
Schade...