Gruselpuppen, eine nervige Schwester und Klischees en masse

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justm. Avatar

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Sina Claasen und Eric Bartels: die beiden Ermittler des Hamburger LKA sind die Hauptfiguren im neuen Buch von Autor Gunnar Schwarz.

Dabei möchte ich behaupten, daß der Hauptaugenmerk - zumindest im Auftakt der Reihe - eher auf Sina liegt. Das liegt aber eher an ihren privaten Problemen, die immer wieder in den Vordergrund treten bzw. irgendwann sogar mit ihren eigentlichen Ermittlungen, rund um Morde, die mit gruseligen Puppenvideos "angekündigt" wurden, verwoben werden.

Und damit wäre ich schon beim ersten Kritikpunkt:
Während Sina und Eric eigentlich schon genug mit ihrem "Puppenfall" zu tun haben, wird vom Autor noch ein - im Grunde völlig unnötiger - Handlungsstrang, um Maya, Sinas Schwester, aufgemacht.
Dieser Erzählstrang, inklusive Figur der Schwester, scheint im Grunde für nichts anderes da zu sein, als die Dummheit aller jemals geschriebener Schwesternfiguren (und aller, die noch kommen werden) in eine Figur zu stopfen.
Ganz ehrlich: es gab, glaube ich, kaum eine Szene mit Maya bei der ich nicht aufpassen mußte, daß meine Augen vor lauter Rollen nicht im Hinterkopf stehen bleiben. Schlimm.
Genauso schlimm: die Geschichte rund um die Schwester hatte keinerlei Mehrwert für den eigentlich zu ermittelnden Fall oder um Sina irgendwie näher kennenzulernen.
Viel mehr hatte ich das Gefühl, als wollte der Autor hier einfach Gewalt- und andere graphische Fantasien ausleben.

Oder aber das Buch ein wenig aufpolstern.

So kommen wir tatsächlich auf unglaubliche 102 Kapitel.
Allerdings sind diese meist relativ kurz gehalten, so daß man jederzeit einen guten Punkt findet, um Pause zu machen.
Gleichzeitig ist die Vielzahl der Kapitel auch ein Zeichen für die unheimlich vielen Szenenwechsel: während man eben noch bei z.B. Sina oder Eric war, ist man wenig später bei der nervigen Schwester oder einem anderen Nebencharakter.
Ich fand das insofern schwierig, da so der Spannungsbogen immer wieder unterbrochen wurde und eher wie eine Berg- und Talbahn aussah. Klar, man versucht den Leser so bei der Stange zu halten, aber ich fand es mit der Zeit eher nervig.

Was den eigentlichen Fall angeht: auch hier spart der Autor nicht an graphischen Beschreibungen - das ist Geschmackssache. Man sollte lediglich wissen, worauf man sich beim Lesen einläßt.

Problematisch ist eher, daß - ähnlich wie im Nebenstrang - alle Figuren, egal ob nun Haupt- oder Nebenfigur, Klischees bedienen oder eine Art Abziehbild dessen sind, wofür sie stehen sollen: der gut aussehende, kräftige Eric; Sina, die mit Boots und Lederjacke rumläuft und natürlich tätowiert und gepierct sein muß, wenn sie als Polizistin dargestellt werden soll, die sich nicht scheut den Mund aufzumachen; Wolfgang, der geniale Hacker, der natürlich dicklich ist, Brille trägt und in einer Art Keller wohnt etc. etc. etc. Das alles ist einfach so: einfallslos. Und schade.

So ist es dann leider auch wenig verwunderlich, daß das Ende nicht wirklich überraschend ist. Dabei hätte die Geschichte viel mehr hergegeben, als das Abarbeiten von Klischees und das Wiederkäuen von Geschichten, die man so schon hunderte Male gesehen oder gelesen hat.