"Bretonische Aura"

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
sonja steckbauer Avatar

Von

Bretonische Luft ... atmet der Leser ab den ersten Zeilen, wenn er mit dem Commissaire Dupin im vorsommerlichen Concarneau einen Café mit einem Croissant bestellt. Doch dieser ist nicht freiwillig dort, wurde zwangsversetzt aus seinem geliebten Paris nach "Finistère", ans "Ende der Welt".

Mit dem Mord an dem 91-jährigen Hotelier Pierre-Louis Pennec wird aus dem mürrischen Kommissar ein routinierter, aber sehr eigenwilliger Profi - so wie wir den Kommissar Dupin aus Edgar Allen Poes Kurzgeschichte _The Murders in the Rue Morgue_ (1841) kennen, dem der neue, französische Commissaire in mehreren Aspekten ähnelt. Nach einem weiteren Mord und der überraschenden Entdeckung, dass ein Gemälde von Paul Gauguin mit beiden Morden etwas zu tun hat, ist Dupins kriminalistisches Gespür ebenso gefragt wie das fachkundige Wissen von Madame Cassel.

Die Beschreibungen der Bretagne lassen den Leser zurückkehren in eine Zeit, als die Bretagne noch ein touristischer Geheimtipp war, doch diese Zeit liegt Dekaden zurück. Die malerischen Reisebeschreibungen steigern zwar die Sehrnsucht nach der Bretagne, doch nicht die Spannung. Somit plätschert die Handlung bis zur Hälfte nur gemächlich dahin, erst dann ist die Kombinationsgabe des Kommissars und des Lesers zunehmend gefragt.

Der Abgang ist wieder ganz im gewohnten Stil: ein bisschen Romantik - der Anfang einer Liebesgeschichte, ein wenig Lokalkolorit - das _Festival des Filets Bleus_ in Concarneau, und ein nach der Auflösung des Falls wieder rundherum zufriedener Monsieur le Commissaire in seinem Stammlokal.

Ein netter Roman, den ein völlig unbekannter Autor geschrieben hat. Über den Namen, der hinter diesem Pseudonym steckt, zerbricht sich derzeit die deutsche Rezensions-Community vergeblich den Kopf. Nett erklärt aber nicht unbedingt, warum _Bretonische Verhältnisse_ von Jean-Luc Bannalec auf die Bestsellerlisten platzert wurde, dafür ist die Spannung zu gering und die "bretonische Aura" (S. 236) zu verschwommen.