Finistère - Mord am Ende der Welt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
buecherfan.wit Avatar

Von

 

Kommissar Dupin ist vor zwei Jahren und sieben Monaten von Paris in die Bretagne strafversetzt worden. Er hat sich inzwischen gut eingelebt und liebt seine neue Heimat, vor allem den malerischen Ort Concarneau. Nur die teilweise fast unaussprechlichen bretonischen Namen - Locmariaquer, Arzhvaelig usw. - bereiten ihm noch Schwierigkeiten. Dann muss er im Nachbarbezirk im berühmten Künstlerdorf Pont Aven in einem Mordfall ermitteln, weil der zuständige Kollege im Urlaub ist.

Pierre-Louis Pennec, der 91jährige Besitzer des berühmten Hotel Central, ist ermordet aufgefunden worden. Jeder fragt sich, wer einen alten Mann so grausam zurichtet und warum. Eine ganze Weile ist kein Motiv erkennbar. Dann passiert ein zweiter Mord in Pont Aven, und langsam kommt Licht in die bretonischen Verhältnisse.

Mit Kommissar Dupin hat Jean-Luc Bannalec einen markanten Charakter geschaffen. Er ist eigensinnig, oft ruppig und wenig diplomatisch, und seine Ermittlungsmethoden sind eher unkonventionell. Er denkt lieber bei langen Spaziergängen am Fluss Aven oder in den Wäldern über den Fall nach, als im Team mit seinen Inspektoren Riwal und Kadeg zusammenzuarbeiten und sie oder seinen Vorgesetzten Präfekt Locmariaquer angemessen und zeitnah zu informieren. Durch sein Verhalten droht er schon wieder gewaltigen Ärger zu bekommen, aber die Lösung des Falls glättet die Wogen, und der Präfekt schmückt sich wie immer mit fremden Lorbeeren.

Der Roman ist zwar nicht “hochspannend” wie in der Beschreibung versprochen, aber spannend genug und gut lesbar. Er lebt von der atmosphärisch dichten Beschreibung einer Region, die der Tourismus längst für sich entdeckt hat. Autor Bannalec lässt mittels der Sprache die Bretagne in all ihrer Schönheit vor den Augen des Lesers erstehen: die malerischen Orte an der Küste mit ihren Häfen und den verwinkelten Gässchen, die Flusslandschaft des Aven, die Wälder mit ihren mit Efeu, Moos und Misteln bewachsenen Eichen und Buchen, das Verhältnis der Menschen zum Meer, Fischerei, Klima und Wetter, dabei vor allem der typische plötzliche Wetterumschwung, Speisen und Getränke, Traditionen und ganz besonders die zahlreichen Feste. Es gibt eine Fülle von Anspielungen auf bretonische Eigenheiten, z.B. die Tatsache, dass jemand mindestens in der vierten Generation dort gelebt haben muss, um nicht mehr als der Neue oder der Fremde bezeichnet zu werden. Auch die Geschichte spielt eine Rolle mit Hinweisen auf nationalistische Gruppierungen, denn auch das gibt es in der Bretagne seit dem 19. Jahrhundert: mehr oder weniger extremistische Autonomiebewegungen, die in der Vergangenheit auch vor Terrorakten nicht zurückgeschreckt sind.

Sprachlich ist der Roman mit seinen poetischen Beschreibungen sehr gelungen, auch wenn mich der häufig ausgesprochen kreative Umgang des Autors mit der deutschen Sprache schon in Staunen versetzt hat ( “es ist uns Stupendes gelungen“, S. 121, “wie wahnsinnig der Kunstmarkt sich gerade gebiert”, S. 149, “Algenöden“, S. 179, “nahe des tödlichen Abgrunds”, S. 193, “diesen ridikülen Verdacht”, S. 231, “ich kalmiere die Gemüter,” S. 259, “dieses unbestimmte Missbehagen”, S. 245, “Jetzt spürte Dupin doch einen Affekt in sich aufkommen” , S. 292, “Er wollte das Bild verhehlen”, S. 293, usw. ). Dennoch bleibt “Bretonische Verhältnisse” für mich der vielversprechende Auftakt einer Serie, auf die man sich freuen darf.