Kommissar Dupin, die Erste

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singstar72 Avatar

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Mir hat dieser eher beschauliche Krimi sehr gefallen – auch und gerade deshalb, weil man hier „zweimal hinlesen“ muss, um all die Feinheiten zu bemerken. Weder der Krimi noch der Kommissar kommen laut, polternd und effektheischend daher – viele reizvolle Details liegen eher im Hintergrund.

Erstens hat mich gefreut, dass das Buch nicht nach Kapiteln, sondern nach Tagen eingeteilt ist. Die Ermittlung dauert genau vier Tage – und an diesen vier Tagen begleiten wir Kommissar Georges Dupin von morgens bis abends. Ich empfand das als wohltuend; nicht so gehetzt wie in vielen Krimis, die nach amerikanischem Schnittmuster mit kurzen Kapiteln gemacht sind.

Zweitens liebte ich den Humor! Sehr oft habe ich geschmunzelt, wenn der Kommissar wieder einmal jemanden abwimmeln musste, aber innerlich „gekocht“ hat. Chapeau! Denn er ist ja gerade deshalb von Paris in die Bretagne strafversetzt worden, weil er respektlos und aufbrausend war. Das hatte so manches Mal Züge eines Filmes mit Louis de Funès – ganz dezent wurde so manche Art von Obrigkeit veralbert. Wichtigtuer innerhalb der Kommunalverwaltung, aber auch innerhalb der Polizei.

Es muss auch nicht jedes Mal ein Ermittler sein, der konstruiert wirkt, und nur so vor privaten Problemen strotzt. Im ersten Drittel des Buches sagt es Georges Dupin ja selbst, dass er mit großartigen Problemen, Süchten etc. nicht aufwarten kann. Nun ja, bis auf seine Abhängigkeit vom „café“ vielleicht. Und seinem Hang zu gutem Essen. Darin gleicht er übrigens dem Commissario Montalbano des Autors Andrea Camilleri…

Ich empfand die Mischung aus Kriminalhandlung und Lokalkolorit als sehr ausgewogen. Beides wurde auch geschickt miteinander verbunden – wenn Dupin zum Beispiel deshalb im Stau steht, weil Touristen wegen eines Festivals die Straßen verstopfen. Oder wenn der sture Charakter der Bretonen auf das Wetter und die Umgebung zurückgeführt wird. Oder…!

Das ganze Grundmotiv dieses Erstlings fand ich gut gewählt. Denn dieses Tatmotiv hat es so nur in der Bretagne geben können! Es geht um Kunst, um ein Gemälde von Gauguin, der ja in der Bretagne gelebt und gearbeitet hat. Und es geht um Familienbande, die zu Fesseln werden. Um Tradition, die erstarrt ist. Um Seilschaften, Vereine und gegenseitige Abhängigkeiten zwischen Honoratioren. Vielleicht keine großartige Gesellschaftskritik – aber doch eine hintersinnige Darstellung einer Region, in der eben nicht alles Friede, Freude und Eierkuchen ist.

Nein, dieses Buch kommt eben nicht plakativ daher. Und am Ende wird – gerade im Privatleben – genug offen gelassen, um sich auf weitere Bände zu freuen. Ich vergebe mit sehr gutem Gewissen vier Sterne – wobei ich denke, dass da durchaus noch „Luft nach oben“ ist.