Mord am Ende der Welt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
theresia626 Avatar

Von

In dem sehr beschaulichen „Bilderbuchort“ Pont Aven geschieht an einem heißen Sommertag das Unfaßbare. Der bedeutendste Bürger der Stadt, der 91jährige Hotelier Paul-Louis Pennec, wird in seinem traditionsreichen und seit Jahrzehnten zum Familienbesitz gehörenden Hotel Central brutal ermordet. George Dupin, ein nach Concarneau (ans Ende der Welt) strafversetzter Pariser Kommissar, nimmt die Ermittlungen auf, obwohl er für Pont Aven nicht zuständig ist. Der dortige Kollege Dercap macht, wie es der Zufall will, gerade Urlaub. Kaum hat Dupin den Tatort besichtigt, das Hauspersonal, den Sohn, die Schwiegertochter und den besten Freund von Pennec, Fragan Delon, befragt und die ersten Recherchen angestellt, gibt es eine zweite, übel zugerichtete Leiche. Zwei Tote in drei Tagen. „Die Dinge nahmen eine extreme Wendung. Nicht, dass es zuvor ein harmloser Fall gewesen wäre, aber nun war aus einer Provinzgeschichte… ein gewaltiger Fall geworden.“ S. 166 Dupin kommt einem 130 Jahre alten Familiengeheimnis auf die Spur, einem, das die ganze Welt in Staunen versetzen wird.

Jean-Luc Bannalec hat mit „Bretonische Verhältnisse“ einen reizvollen, beschaulichen, sehr flüssig zu lesenden Kriminalroman geschrieben, der auch durch seine Landschaftsbeschreibungen besticht. Pont Aven, hier führte Paul Gauguin zwischen 1886 und 1894 ein Bohème-Leben als Kunstmaler, hier entstanden seine wichtigsten Werke und sein Ruhm wirkt bis heute nach. Das kleine Städtchen am Ufer des Aven war jedoch schon lange vor den Künstlern für seine vielen Mühlen berühmt gewesen, die ansässigen Mehlfabriken versorgten die gesamte Region mit Mehl, der Hafen war noch ein echter Seeverkehrshafen.

 George Dupin, der durch die Aufklärung der spektakulären Morde an zwei Thunfischfischern zu einer schon durchaus prominenten Person in der Region geworden war, hat etwas eigenwillige, aber sehr erfolgreiche Ermittlungsmethoden. Teamwork steht bei ihm an zweiter Stelle, das wird von seinen Inspektoren Kadeg und Riwal und seiner Sekretärin Nolwenn akzeptiert. Nolwenn erklärt Dupin die bretonische Geschichte und ist seine unverzichtbare rechte Hand. Nach außen ist Dupin immer noch ein lupenreiner Pariser, im Inneren ist er aber schon ein wenig ein Bretone. Er ist ein kauziger, ruppiger, mürrischer, eigenbrötlerischer, manchmal schon unhöflicher aber trotzdem sympathischer Kommissar. Ohne sein Telefon, an das er nur mit Unwillen geht und sein Notizbuch kann er nicht arbeiten und der Bürgermeister von Pont Aven sowie der Präfekt warten vergebens auf einen Rückruf. Wenn er nachdenken muß, geht er zu seiner „verborgenen Bank“ direkt am Wasser. Der Autor hat seine Protagonisten nicht näher beschrieben, so daß der Leser darauf hoffen kann, mehr über sie demnächst zu erfahren. Die Bretagne beschreibt der Autor als märchenhafte Idylle und weckt den Wunsch, fernab der touristischen Hochburgen dort Urlaub zu machen, natürlich mit dem Buch im Gepäck, denn als Reiseführer kann der Roman auch überzeugen. Auf der kleinen hilfreichen Landkarte im Innenteil des Romans ist der Ort Bannalec eingezeichnet, dessen Name der Autor wohl als Pseudonym gewählt hat. Ich wurde sehr gut unterhalten und freue mich auf eine Fortsetzung.