Broken Dolls

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wortknaeuel Avatar

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Wenn man einen Serienkiller als Vater hat, der dir bei seiner Hinrichtung ein „Du bist wie ich“ zuflüstert, könnte man es mit der Angst bekommen vor dem dunklen Erbe in sich selbst – oder man wird Profiler und hilft dabei, andere Serienkiller zur Strecke zu bringen. So macht’s unser Held in „Broken Dolls – Er tötet ihre Seelen“ von James Carol.

Der ehemalige FBI-Agent Jefferson Winter wird als Berater des Scotland Yard nach London gerufen, wo ein Serientäter Frauen entführt, foltert und ihnen zu guter Letzt mit einer Nadel das Gehirnareal zerstört, das den Charakter eines Menschen ausmacht. Ihrer Persönlichkeit und somit ihrer Seele beraubt, setzt er sie wieder aus und sucht sich ein neues Opfer. Für Jefferson Winter beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn „der Schlitzer“ hat gerade sein fünftes Opfer auserkoren.

Ich kann leider die Emanze in mir nicht ganz zum Schweigen bringen und muss daher zugeben, dass mir Jefferson Winters Art ein wenig auf den Senkel gegangen ist. Irgendwann mokiert er sich über den Ehemann eines Opfers, für den „Frauen immer noch Bürger zweiter Klasse“ seien – kurz nachdem Jefferson Winter selbst die äußerlichen Merkmale seiner Kollegin unter die Lupe genommen hat (so wie bei übrigens jedem weiblichen Wesen dem er begegnet) und sich fragt, warum sie wohl Polizistin geworden ist, wo sie doch auch ein Model hätte werden können … ähm, tja. Es wundert nicht, dass Frauen in diesem Roman eher naiv und schwach sind. Aber zum Glück gibt’s ja den superintelligenten und mutigen Helden, der immer alles besser weiß und ganz Herr der Lage ist. Ich hatte mir angesichts seiner familiären Vorbelastung mit einem Serienkiller als Vater eigentlich eine zwiegespaltene, auch mal an sich zweifelnde Figur erwartet, die bestimmt um einiges interessanter gewesen wäre als dieser arrogante James-Bond-Verschnitt. Auch der Schauplatz wird nicht richtig ausgereizt. Das winterliche London dient lediglich als ungemütlich nasskalte, farblose Kulisse – die Story könnte genauso gut in Moskau oder Oslo stattfinden. So bleiben leider Charaktere wie auch Schauplätze immer etwas blass und flach. Da dies als „der erste Fall für Jefferson Winter“ bezeichnet wird, gehe ich davon aus, dass weitere Romane mit ihm geplant sind. Vielleicht entwickelt sich da ja noch was.

Aber genug gelästert! Im Grunde bekommt man hier einen soliden Thriller, einfach gestrickt, jedoch spannend und kurzweilig. Die Kapitel umfassen jeweils nur wenige Seiten und sind somit schnell konsumierbar. Es gibt zwar wenig überraschende Wendungen, aber die Story steigert sich und bietet insbesondere Nadelphobikern einen hohen Gruselfaktor an nebligen Herbstabenden.