Kurzweiliger Thriller, der aber nicht richtig im Gedächtnis bleibt.

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sddsina Avatar

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Ich muss gestehen, dass meine Erwartungen an diese neue Thrillerreihe von Anfang an sehr hoch waren. Der Klappentext klang richtig gut und in Amerika soll das Buch wochenlang auf den Bestseller Listen vertreten gewesen sein. Da wurde ich natürlich neugierig. Sehr kurzweilige 380 Seiten und gerade einmal 2 Tage später fühlt sich meine Euphorie nun leider irgendwie gedämpft an. Ich hatte zwar auch spannende Momente mit dem Buch, kam aber mit dem Protagonisten nicht klar und hatte letztlich auch keinen richtigen Bezug zur Geschichte. So richtig mitgefiebert habe ich nur an wenigen Stellen.

Das Buch ist in teilweise wirklich kurze Kapitel gegliedert, sodass man gar nicht richtig merkt wie man durch die Seiten rast. Dadurch kann man das Buch wirklich schnell lesen, die Sprache ist sehr angenehm lesbar gehalten und es gibt viel wörtliche Rede. Das Buch wird abwechselnd aus Sicht von Jefferson Winter und dem Entführungsopfer Rachel erzählt. Dabei sind die Abschnitte von Rachel teilweise sehr brutal, blutig und detailliert beschrieben. Gerade am Anfang fand ich das richtig hart, aber auch passend, da das Cover nichts anderes verspricht. Die Passagen von Winter sind dabei die Ermittlungsarbeit, die oft langwierig verläuft, zum Ende hin dann temporeicher wird.
Aufmerksam geworden bin ich ja eigentlich durch die Leseprobe. Die Idee, das Buch mit der Hinrichtung von Winter's Vater - einem Serienmörder - zu beginnen ist natürlich genial und zwingt einen gerade zu weiterlesen zu wollen. Das Buch selbst spielt dann 1,5 Jahre nach der Hinrichtung. Es wird ein paar mal noch erwähnt, ansonsten wird nicht weiter darauf eingegangen. Winter selbst stürzt sich in Arbeit, Zigaretten und Kaffee. Sobald ein Fall abgeschlossen ist, wechselt er den Arbeitsort, sodass Beziehungen zu anderen Menschen auch nicht wirklich im Vordergrund stehen.

Womit ich wohl die größten Probleme hatte, waren die Gott-ähnlichen Fähigkeiten von Jefferson Winter. Ich habe schon viele Thriller gelesen, auch über Profiler und andere Genies, die allein durch ihren Instinkt Mordfälle aufklären. Grundsätzlich störe ich mich an so etwas nie, aber was man hier vorgesetzt bekommt war einfach unmöglich. Gut, er hat ein besondere Menschenkenntnis und erkennt wann jemand lügt. Er kennt sogar einige Geheimnisse, entweder liest er sie seinem Gegenüber aus dem Gesicht, es ist auch Instinkt oder er rät einfach. Ich möchte nicht ins Detail gehen, da ich niemandem das Entdecken der Geschichte verderben möchte. Diese ganzen "Zufälle" fallen aber sogar mir auf, obwohl ich sonst nie auf etwas achte. Am bescheuertsten ist dann, wie sie auf den Täter kommen. Es gibt eine Liste mit zig Namen (die genaue Zahl wird nicht genannt), natürlich zählt jede Sekunde. Winter beschließt daraufhin alle unter 30 und über 40 zu streichen, alle Frauen, alle Ausländer. Danach grenzt er noch schnell das Gebiet ein, löscht alle die nicht auf einem abgelegenen Grundstück wohnen. Zack, kurze Zeit später bleibt nur noch einer und der ist es. Also mal im Ernst, das war übertrieben konstruiert. Ich hatte das Gefühl, der Autor legt es sich wie es ihm gefällt. Ein Ermittler kann zwar gut sein und natürlich auch Instinkt oder Glück haben, hier nimmt es aber ein Ausmaß an, dass es einfach nicht mehr authentisch rüberkommt.
Wer übrigens Geschichten mag, wo man mitraten kann, wer der Täter ist, der ist hier auch falsch. Der Leser kennt genau wie Rachel von Anfang an den Namen des Täters, während Winter und die anderen also noch ein paar befragen weiß man genau das sie den Falschen haben. Anfangs dachte ich noch der Täter hätte zu Anfang einen falschen Namen benutzt und man bekommt ein großes Aha-Erlebnis zum Ende - war aber leider nicht so. Am Ende ist der Täter für mich nicht viel mehr als der Name auf der Liste. Mir hat zwar die Begründung zum Schluss ganz gut gefallen für die Morde, trotzdem fehlt mir da einfach die Verbindung zum Ganzen, die normalerweise beim Lesen entsteht.

Es ist schwer zu beschreiben, aber irgendwie bin ich in die Geschichte nicht richtig eingetaucht. Ich war mehr so wie ein stiller Beobachter. Klar, es gab Szenen die waren krass und manchmal habe ich auch mit Rachel mitgefiebert und gehofft. Alle anderen Charaktere bleiben aber erschreckend blass und machen mir so gar keine Lust noch einen weiteren Fall mit Jefferson Winter zu lesen. Die Spannung verlief für mich in einem Auf- und Ab, ich bin nur so schnell durch das Buch gekommen, da die Kapitel so angenehm kurz waren. Eine Liebesgeschichte ist - erfrischenderweise - übrigens aktuell auch mal nicht vorhanden. Natürlich gab es die wunderschöne Frau im Buch, aber bisher keinerlei Annäherung. Das hat mir nicht schlecht gefallen, denn heutzutage scheint es ja schon fast Pflicht zu sein Liebe oder zumindest Sex einzubauen, damit der Thriller auch die gewisse Würze hat.
Ich muss an dieser Stelle auch noch einmal sagen, dass die Lobotomien wirklich sehr gut erklärt wurden und den Schockmoment beim Leser nicht verfehlt haben. Die Hintergründe die im Buch erläutert wurden kannte ich so noch gar nicht und der Autor scheint seine Arbeit da wirklich gut gemacht zu haben.

Fazit: Das Buch hat mich schon irgendwie unterhalten und die Idee hat mir gut gefallen. Trotzdem bleibt das Buch einfach nicht im Gedächtnis, da die Charaktere fiel zu blass bleiben. Ich hatte erwartet eine neue Thrillerreihe zu entdecken, wo ich immer wissen will wie es mit dem Protagonisten weitergeht. Das ist hier nicht der Fall, denn es ist mir eigentlich ziemlich egal was aus Winter wird. Ich fand bloß den Aspekt mit Lobotomien interessant, der ja bereits im 4. Buch von Cody McFadyen eine Rolle gespielt hat. Vielleicht hatte ich daher auch die Hoffnung diese Reihe könnte ähnlich gut werden - für mich war es nichts.
Wer regelmäßig gute Thriller liest und nichts mit einem Ermittler anfangen kann, der den Fall allein durch seinen Instinkt löst, der sollte hier lieber die Finger von lassen. Das Buch ist ganz nett für zwischendurch, noch einmal lesen würde ich es allerdings nicht. 3 Sterne für einen leider im Schnitt nur durchschnittlichen Serienauftakt.