Roh, ehrlich, ungeschönt – ein Schlag ins Herz

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Mein erster Eindruck von "bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann" von Oliver Lovrenski ist intensiv und nachhaltig. Schon das Buchcover zieht mich in seinen Bann – minimalistisch, aber kraftvoll, mit einer rohen, urbanen Ästhetik, die perfekt zur Atmosphäre des Buches passt. Es wirkt wie ein visuelles Versprechen für das, was mich im Inneren erwartet: Direktheit, Härte und eine ungeschönte Realität.

Der Schreibstil hat mich sofort gepackt. Er ist radikal authentisch, rau und ungeschliffen, ohne dabei gewollt zu wirken. Lovrenski schreibt in einer Sprache, die sich anfühlt, als käme sie direkt von der Straße – voller Slang, impulsiver Dialoge und roher Emotionen. Genau das macht den Text so lebendig. Man hat das Gefühl, den Protagonisten nicht nur zuzuhören, sondern direkt neben ihnen zu stehen, mit ihnen durch Oslo zu streifen, ihre Wut, Verzweiflung und die flüchtigen Momente von Zärtlichkeit zu spüren. Zwischen den derben Ausdrücken und der rebellischen Fassade blitzen immer wieder kleine, verletzliche Augenblicke auf, die zeigen, wie nah Verletzlichkeit und Härte beieinander liegen können.

Der Spannungsaufbau funktioniert weniger über eine klassische Dramaturgie als über die Dynamik zwischen den Figuren. Die Geschichte ist wie ein Strom aus Momenten – mal brutal, mal poetisch. Es gibt keine vorhersehbaren Wendungen, was das Lesen umso fesselnder macht. Man weiß nie, was als Nächstes passiert, ob der nächste Satz einen zum Lachen bringt, schockiert oder mitten ins Herz trifft.

Die Charaktere wirken dabei unglaublich echt. Ivor, Marco, Jonas und Arjan sind keine glattgebügelten Helden, sondern Jugendliche voller Widersprüche – sie sind laut und wütend, verletzlich und loyal. Gerade diese rohe Ehrlichkeit macht sie so nahbar. Ihre Freundschaft ist das emotionale Zentrum des Buches, eine fragile Konstante in einer Welt voller Unsicherheiten.

Von der Geschichte erwarte ich, dass sie noch tiefer in die Abgründe und Hoffnungen dieser Jugendlichen eintaucht. Ich möchte verstehen, was sie antreibt, was sie festhält und was sie am Ende vielleicht rettet – oder eben nicht. Dieses Buch würde ich definitiv weiterlesen, weil es nicht versucht, die Realität zu beschönigen. Es zeigt das Leben, wie es ist: chaotisch, schmerzhaft und manchmal auf eine brutale Art schön.