Hat mich abgeholt!

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laparisienne Avatar

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"bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann" handelt von Freunden die sich begleiten beim erwachsen werden. Drogen, Alkohol und Stress mit der Polizei ist dabei Alltag und schnell finden sie sich in einem nicht mehr enden wollenden Strudel von Problemen und noch mehr Problemen wieder. Haben die keine Familien, mögen sich Außenstehende manchmal fragen. Aber schnell merkt man, doch, haben sie. Aber vielleicht ist gerade das, das Problem. Ihre Familien - und somit auch sie - existieren fernab vom Radar. Sie sind nicht Teil des Bürgertums, eher gesellschaftliche Randfiguren. Und so beschreibt dieser Roman wie es ist jung zu sein, in einer Welt die dir mit all ihrer Perspektivlosigkeit entgegenschlägt.

Ivor, Jonas, Marco und Arjan sind jung und rastlos. Schnell wird klar, dass ihr Start ins Leben eigentlich vielversprechend aussah. Ivor und Marco sind clevere kids, den anderen Kindern weit voraus. Bis sie es eben nicht mehr sind. Szenenhaft und scheinwerferartig erfährt man, wie es ihnen jetzt ergeht. Wie sie sich durch den Alltag bringen und dabei immer weiter und weiter gehen, getrieben von der Hoffnungslosigkeit und dem was sie ihr Leben nennen. Es hat es sich bequem gemacht und erstmal nicht vor hier irgendetwas zu verändern. Einmal drin, kommt man da so schnell nicht wieder raus.

Die Sprache Lovrenskis - und vor allem Karoline Hippes Übersetzung! - ist so klar und treffend, dass man das Gefühl hat, dass der Film im Kopf immer schneller und schneller abspult ohne dass man es kontrollieren kann. Ich war gespannt, wie sich die kurzen Kapitel und Textpassagen auswirken würden und ob der Autor es damit überhaupt schaffen kann, eine zusammenhängende runde Geschichte zu konstruieren. Aber schon nach ein paar Seiten fliegt man nur so durch das Buch und hat das Gefühl das Leben der Protagonisten zu leben. Die Schnelligkeit ihrer Episoden, das Getriebensein und die Rastlosigkeit übertragen sich exakt auf den Leser und erzeugen einen Sog, den ich in der Form lange nicht mehr hatte.

Mir hat es unglaublich gefallen, wie der Autor es schafft, eine Jugend zu beschreiben, die von so vielen übersehen wird. Es erklärt Hintergründe und Motive und macht verständlich, dass wir doch alle nur Menschen sind mit Gegebenheiten, die es uns leichter oder schwerer machen. Ivor und seine Freunde sind ohne Zweifel Charaktere, die man eigentlich nicht mögen sollte. Die meisten hätten wahrscheinlich nur einen abschätzigen Kommentar und ein trauriges Kopfschütteln für sie übrig, weil sie genug Dinge tun, die so fernab von jeglicher gut bürgerlicher Normalität sind, dass man manchmal so tun möchte als gäbe es sie nicht. Aber genau das ist die Meisterleistung dieses Buchs! Es fokussiert Menschen, die man eigentlich lieber ignorieren möchte und um die man einen großen Bogen macht.

Hier aber ist man auf eine eigenartige Weise fasziniert. Wie die Jungs für sich und die anderen einstehen, wie sie ihr einziger Zufluchtsort und eben ihre eigene Familie sind, lässt einen die Welt und ihre Abgründe ein wenig besser verstehen.

Dieses Buch hat mich eingesogen und ist eine absolute Leseempfehlung!