Jugend am Abgrund

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Oliver Lovrenskis "bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann" will atemlos und brutal ehrlich sein – eine schonungslose Momentaufnahme jugendlicher Rastlosigkeit und Perspektivlosigkeit in Oslo. Die vier Freunde, die zwischen Drogen, Gewalt und einer tiefen, fast verzweifelten Loyalität zueinander gefangen sind, werden als verlorene Seelen einer reichen, aber gleichgültigen Gesellschaft gezeichnet.

Das Buch besticht durch seinen fragmentarischen Stil und eine konsequente Kleinschreibung, die den Eindruck eines rohen, spontanen Erfahrungsberichts verstärkt. Doch genau hier liegt auch eine der Schwächen: Während die Sprache die ungeschliffene Realität widerspiegeln soll, bleibt sie oft floskelhaft und stilisiert. Die Kapitel sind extrem kurz, was zwar die Rastlosigkeit der Charaktere transportiert, andererseits aber auch Tiefe und Reflexion verhindert.

Thematisch bewegt sich das Buch auf vertrautem Terrain: Drogen, Gewalt, kaputte Familien, toxische Männlichkeit und das Gefühl, nicht dazuzugehören. Doch es bleibt oft an der Oberfläche. Die Charaktere verschwimmen ineinander, ihre Schicksale berühren, ohne wirklich unter die Haut zu gehen. Was bleibt, ist ein raues, wütendes Buch, das wichtige Themen anschneidet – aber nicht immer die emotionale Tiefe erreicht, die es anstrebt.

"bruder, wenn wir nicht familie sind, wer dann" ist in temporeiches, stilistisch auffälliges Debüt, das die Schattenseiten einer Jugend im Ausnahmezustand beleuchtet – aber oft mehr Lärm macht, als es wirklich erzählt.