Überraschendes Debüt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
queenhedy Avatar

Von

Der Debütroman "bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann" des norwegisch-kroatischen Autors Oliver Lovrenski überzeugt vielleicht nicht von Anfang an, denn auf das sprachliche Experiment muss man sich erst einlassen. Aber sobald man das schafft, kann es ein Lesehighlight werden.
Ivor ist Jugendlicher mit Migrationshintergrund in Norwegen, genauso wie seine Freunde. Am Anfang bemüht er sich richtig, zu zeigen, dass er genau so gut ist, wie die Anderen. Er ist Klassenbester und möchte Anwalt werden. Doch was ihm fehlt sind die Zukunftsperspektiven, die Hoffnung, dass jemand wie er, so etwas schaffen kann und in dieser Hoffnungslosigkeit findet er einen anderen Weg. Anstatt Anwalt zu werden, wird er Junkie und Dealer und damit kommen dann die Probleme, die alle bei diesen "schlimmen Ausländern" erwarten.
Auch sprachlich versucht der Roman genau diese Welt der migrantischen Jugendlichen abzubilden. Die Geschichte wird in sehr kurzen Kapiteln, teilweise nicht einmal eine halbe Seite, erzählt, die unvollständige Sätze, keine Punkte und oft Einflüsse aus anderen Sprachen beinhalten. Diese Jugendsprache, wie sie heute stark vertreten ist, kann auf viele Leser:innen anfangs abschreckend wirken und vielleicht fällt es auch vielen schwer, das Ganze überhaupt zu verstehen, weil sie es erst Stück für Stück entschlüsseln müssen, es lohnt sich jedoch.
Wenn man sich darauf einlässt, versucht die Sprache und den Protagonisten zu verstehen, bekommt man eine berührende Geschichte über die heutige Jugend, die sich vergessen fühlt. Die sich oft mal denkt, dass sie sowieso keine andere Wahl haben, als die Klischees zu erfüllen. Und am Ende erwischt man sich vielleicht dabei, dass man sich denkt, dass der Roman eine "typische Einwanderergeschichte" erzählt und kann dieses Denken ändern.