"Wo ein Türke da ein Weg"

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elke seifried Avatar

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„Mach mich stolz, mein Sohn“ und die Bewerbungsunterlagen in die Hand gedrückt, damit war Bülents Weg zur Kriminalpolizei fest betoniert. Wenig ambitioniert drückt er sich daher seit Jahren gekonnt um die Ermittlerarbeit und schubst erfolgreich die Akten im Büro umher. Dem beschließt sein Papa Erkan ein Ende zu setzen, der Bub soll endlich zeigen, was in ihm steckt und was bietet sich da besser an, als ein Mordfall im heimischen Strunzheim? Mit einem guten Draht zu Bülents Chef ist schnell klar, den Hintern im Büro platt sitzen hat ein Ende, vor Ort einen Ermittlungserfolg einfahren ist angesagt. Für Büli einem Weltuntergang gleich ist die Nachricht vom ersten Außerhauseinsatz genau das, worauf Kollegin Astrid schon so lange gewartet hat. Auf geht´s nach Strunzheim, in die fränkische Provinz, wo es heißt den Mord an Metzgereiverkäufein Kerstin, im Ort als Gelbwurst Pflunzn bekannt, aufzuklären. Wird Astrid bei Büli im Yoga Kopfstand, mit Räucherstäbchen und Energiekugeln die Lust am Ermitteln wecken können?

Der spritzig, witzige Sprachstil der Autorin liest sich locker, leicht. Die kurzen Kapitel, die mit individuellen Überschriften punkten können, fliegen nur so dahin. Die Geschichte sprudelt an Situationskomik und witzigen Dialogen. „Sag mir wie es geht – Wein zu Wasser. Dann kostet es auch nix“, kann da von einem Pfarrer schon mal im Zwiegespräch mit dem Herrgott kommen, wenn der Messwein wieder einmal besonders gut schmeckt oder ein Erkan kann „Ja verreck, die erkennt ihre Verwandtschaft sogar, wenn sie geräuchert auf dem Butterbrot daherkommt.“, rufen, wenn Sau Hannelore verschreckt vom Brotzeitbrettl davonrennt, das eigentlich auch dazu gedacht war, Astrid vom veganen auf den richtigen Weg zu locken. Ich konnte viel grinsen, schmunzeln und stellenweise sogar Tränen lachen, auch wenn es mir gegen Enden an der einen oder anderen Stelle fast schon ein bisschen zu viel zu werden drohte. Gut gefallen haben mir auch der beschreibende Stil, die vielen Bilder und die witzigen, originellen Vergleiche. Da sitzen die Leute schon mal nebeneinander auf der Bank, „Wie Hühner, allerdings schon welche mit einem recht verklemmten Schließmuskel, um genau zu sein.“. Ich hatte beim Lesen das Gefühl selbst mit vor Ort zu sein und konnte mir die Szenen alle geradezu im Kopf ausmalen.

Es gibt einige Verdächtige, man kann rätseln und die Auflösung ist so nicht vorab schon längst klar, aber vor Spannung die Fingernägel abkauen muss man sich sicher nicht. Es stehen eindeutig der Humor und die Darstellung der Charaktere im Vordergrund. Ein Provinzkrimi, Ermittlungsmethoden aus dem Lehrbuch, so wie im richtigen Leben, findet man hier ebenfalls nicht immer. Im provisorisch eingerichteten Büro im Gartenschuppen, schnell mal ein Schloss aufgeschossen oder ein Handy, eigentlich Beweismittel, versteckt, damit muss man leben können, dann wird man hier unheimlich viel Vergnügen haben.

Die Charaktere sind alle ganz besonders originell gewählt und dargestellt, hier zeigt die Autorin wirklich all ihr Können. Bülent Rambichler, der Aktenschubser, der vom Durchbruch mit einem fränkisch - türkischen Schäufele - Döner oder der einer Kosmetikbehandlung träumt, als von Ermittlungserfolgen, war mir von Anfang an super sympathisch. „Noch nie wirklich was gerissen“ hatte er bisher wenig Ambitionen seinen Papa stolz zu machen und zum ersten Mal raus aus dem Büro und dann auch noch zurück auf dem platten Land, ich habe ihn nicht um seinen neuen Job beneidet. Zurück in der Heimat heißt dazu noch direkt unter der Fuchtel seines Papas Erkan stehen, der dem Bub gehörig die Meinung geigt, wenn ihm die Ermittlungsmethoden die anstehende Gemeinderatswahl versauen könnten. Ich hatte bei so gut wie jeder Szene mit dem untypischen, oder auch einfach mehr als perfekt integrierten Türken Lachtränen in den Augen, fast ja mein persönliches Highlight. Bülis Kollegin Astrid passt prima dazu. Sie ist trotz Yoga- Räucherkerzenspleen, nicht nur perfekte Ermittlungspartnerin, sondern auch die neu auserkorene Schwiegertochter in spe, nur mit dem veganen Zeugs da muss man ihr noch den rechten Weg zeigen! Eigentlich immer gut gelaunt, stets um den yogischen Weg bemüht, kann sie aber auch explodieren, dass es heißt, „heute hast du dir dein Karma sauber versaut!“. Wenn wir schon bei der Sau sind, muss ich auch noch Hannelore erwähnen, die bei Bülents Eltern in den Garten ziehen darf und so „gestresst bis unter die Schwarte“ der Schlachtbank entkommt und für manchen Lacher sorgt. Auch alle anderen Nebendarsteller sind witzig gezeichnet, bei den Walder Zwillingen angefangen, die gemeingefährlich durchs Dorf kurven und getreu dem Motto „Wir schnüffeln nicht, wir sind vielseitig interessiert!“ Patrouille schieben, bis hin zum Pfarrer Winter, der nicht nur fürs seelische Wohl der Gemeinde, sondern auch für die Fitness seines „Kukident Geschwaders“ sorgt.

Richtig gut und stets mit einem liebvollen Augenzwinkern, wenn auch stellenweise ein wenig überzeichnet, hat die Autorin die Atmosphäre in dem kleinen fränkischen Dorf eingefangen. Katholische Landjugend, Stammtisch, Dorffest, da wird kräftig getankt, ein Problem schnell auch mal mit einer Watschen aus der Welt geschafft und ganz klar auch „eher tiefergelegtes Vokabular verwendet“. „Lieber in die Hose gebrunst, als ein gutes Blatt vergeigt.“, oder ein Stelldichein mit der „Dorfmatratze“, auch „Durchlauferhitzer“ genannt, gehabt, so was ist schon dabei, gehört aber auch eindeutig hierher. Auch Tratsch, schnell einen Verdächtigen gefunden, sind hier Alltag und das Fränkische fehlt zum Glück ebenfalls nicht. Begriffe, die vielleicht Probleme beim Verständnis bereiten könnten, werden in Fußnoten jeweils am unteren Seitenrand erklärt, meiner Meinung nach optimal gelöst, auch wenn ich derer nicht bedurft hätte.

Alles in allem ein gelungener, herrlich schräg witziger Auftakt für eine neue Krimireihe, die mich wirklich gelungen unterhalten hat. An der einen oder anderen Stelle noch eine Spur mehr Spannung und eine Prise weniger der Komik, dann stehen fünf Sternen für mich beim zweiten Fall sicher nichts mehr im Wege, denn die Schreibe der Autorin, darf man bei einem Mundart Krimi wohl so sagen, hat mir super gut gefallen. 4,5 Sterne