Deutschland, blutig Vaterland

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Rosa Silbermann ist Jüdin, geboren in Deutschland, in den Dreißigern zusammen mit ihrer Schwester nach Palästina emigriert. Sie war damals gerade 14, ihre Schwester Rachel zwei Jahre älter. Die Nazis haben alle anderen Mitglieder ihrer Familie ermordet. Niemals wollte sie nach Deutschland zurück, zu sehr quälen sie die Erinnerungen, und doch kehrt sie zurück auf Forderung des israelischen Geheimdienstes. Es ist 1952, nur wenige Jahre nach dem Krieg, und Adenauer will Wiedergutmachung in Form von Geld für Israel leisten. Das geht nicht nur den alten Naziseilschaften gegen den Strich, sondern auch Radikalen Juden, die keinen einzigen "blutigen" Pfennig des Landes annehmen wollen, das für den Mord an ihrem Volk verantwortlich zeichnet. Ein Attentat auf Adenauer ist geplant, während seines Aufenthalts auf der Bühlerhöhe, einem Luxushotel im Schwarzwald. Rosa, die dort aufgewachsen ist, soll dem Agenten Ari als kenntnisreiche Begleitung dienen, doch schon bei ihrer Ankunft geht alles schief.

Manchmal kommen einem Romane unter, denen man nicht annähernd zutraut, was sie zu bieten haben. Bühlerhöhe ist einer davon. Er ist kein actionreicher Thriller, kein Agentenroman á la James Bond, trotz oder gerade deshalb ist er viel mehr. Anhand von drei Frauenschicksalen (klingt jetzt kitschig nach Frauenroman, ist es aber nicht!), gelingt es Glaser, in einer ruhigen und intensiven Erzählweise das Nachkriegsdeutschland sowie die jüdische Lebensweise in einem Kibbuzim auferstehen zu lassen, mit einer Eindringlichkeit, die geradezu filmreif ist. Nicht einmal habe ich an den Ereignissen oder Erlebnissen gezweifelt oder irgendwas hinterfragt, ganz im Gegenteil. Für mich hätte alles so stattfinden können, jede einzelne Minute, jede einzelne Person war authentisch und menschlich, ganz egal, ob ich diese Person mochte oder nicht. Es gab extrem kluge Gedanken, die hier und da eingestreut wurden, wie zum Beispiel Rachel, die mit einem jüngeren Araber zusammenlebt - etwas, das tabu, verpönt war, doch sie sagt selbst: Haben die Nazis nicht schon genug Rassentrennung geschaffen? Oder zum Schluss, als ein Katholike, ein Protestant und ein Jude gemeinsam (und als Freunde) vor dem Kanzler musizieren; geradezu die Ringparabel in Reinform. Der Schluss mehr bitter als süß und perfekt auf die Grundstimmung des Buches abgestimmt, einfach nur genial. Absolute Leseempfehlung.