Ein historischer Roman, wie er sein sollte

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mangobelle Avatar

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Ich bin ein Liebhaber historischer Romane. Leider sind die meisten Bücher des Genres im Mittelalter angesiedelt. An sich nicht schlecht, aber man will ja auch einmal etwas anderes lesen. Deshalb war ich hellauf begeistert, dass "Bühlerhöhe" von Brigitte Glaser bis zu meinem Briefkasten geschafft hatte.


~~~Die reale Bühlerhöhe~~~
Ich habe dazu mal Google gefragt, denn die Bühlerhöhe gibt es wirklich. Oder gab es, denn das an der Schwarzwaldhochstraße gelegene Hotel ist derzeit "dauerhaft geschlossen". Im Anhang des Buches ist der Vermerk, dass eine neue Investurengruppe derzeit eine Wiedereröffnung 2017 anstrebt.
Die Gebäude sind umgeben vom satten Grün des Schwarzwaldes. Der Mehliskopf (1007,8m) ist in Sichtweite und bei gutem Wetter soll man, laut Autorin, des Straßburger Münster auf der anderen Rheinseite sehen können. Der nächstgelegene Ort ist Bühl.

~~~Handlung~~~
Der Roman spielt im Sommer 1952. Vereinfacht ausgedrückt erzählt er, wie verschiedene Personen versuchen mit ihren Eindrücken des Krieges klarzukommen. Und es wird schnell klar, dass an fast allen die Kriegserlebnisse noch nagen.
Hauptperson ist Rosa Silbermann. Geboren und aufgewachsen in Köln ist sie Mitte der 1930er im Alter von 14 Jahren gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Rachel nach Palästina geflüchtet. Die Beiden sind die einzigen Überlebenden der Familie Silbermann, da die restlichen Mitglieder in Köln blieben und während des Krieges in diverse Lager gebracht worden.
Und ausgerechnet Rosa, die voll hinter dem neuen Staat Israel steht und die ganzen Erinnerungen an Deutschland am liebsten ganz weit zurückdrängen möchte, wird ausgewählt für den Mossad im Schwarzwald einen Auftrag zu erfüllen.

1952 verhandelt die junge Bundesrepublik mit dem ein Jahr älteren Staate Israel über das sogenannte "Wiedergutmachungsgesetz". Israel benötigt das Geld für die zahlreichen KZ-Überlebenden, die ausgemergelt in das Land strömen. Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch in Israel ist das "Blutgeld" umstritten. Es wird dort von radikalten Zionisten vehement angelehnt. Es sind ebenfalls radikale Zionisten, die (auch in real) mehrere Anschlagsversuche auf Adenauer unternehmen um das Gesetz zu stoppen.
Rosa soll während Adenauers Urlaub im Schwarzwald gemeinsam mit dem weltgewandten Ari, einen Mossadagenten aus Paris, für die Sicherheit des Bundeskanzlers sorgen.

Erzählt wird ebenfalls die Geschichte von Sophie Reissacher, einer geborenen Elsässerin. Diese verließ kurz vor der Rückeroberung durch die Franzosen fluchtartig Straßburg, hatte sie doch Angst als sogenanntes Deutschliebchen geteert durch die engen Gassen der Stadt getrieben zu werden. Jetzt, als Hausdame in der Bühlerhöhe, hofft sie durch eine vorteilhafte Ehe den Ballast der Vergangenheit hinter sich lassen und wieder nach Straßburg zurückkehren zu können.

Andere Charaktere sind zum Beispiel die 19Jährige Agnes, die während der Plünderungen zum Ende des Krieges vergewaltigt wurde und nun - in Funktion als Auszubildende in einem benachbarten Höhenhotel - ihren ehemaligen Peiniger widerbegegnet. Oder der windige Waffenhändler Xavier Pfitzer, der bis zum Schluss undurchschaubar sein eigenes Spiel spielt. Ist er vielleicht sogar der potentielle Attentäter?

~~~~Mein Eindruck~~~
Wie gesagt, ich liebe Historische Romane. Sind sie zudem mit Fakten gewürzt und haben sie eine in sich logische Geschichte, haben es Bücher diesen Genres bei mir immer leicht.
"Bühlerhöhe" ist in sich geschlossen, spannenend und das bis zum Schluss. Die Handlung, die sich über knapp 400 Seiten zieht, ist eigentlich schnell erzählt. Das keine Langeweile aufkommt, verhindert Glaser dadurch, dass sie zum Einen die Geschichte aus der Perspektive mehrere Menschen erzählt. Hauptsächlich aus der Sicht von Agnes, Auszubildende im Hundseck, Sophie Reissacher, neugierige und ebenso misstrauische Hausdame auf der Bühlerhöhe und eben aus den Blickwinkel von Rosa Silbermann, die sich auf der Bühlerhöhe als Rosa Goldberg ausgibt.
Die Handlung spielt dabei nicht ausschließlich 1952. Geschickt schafft es die Autorin durch spontane Erinnerungen oder durch Tagträume (zum Beispiel beim Taxi fahren oder bei einem vertrauten Anblick) den Leser an der Vergangenheit der Protagonisten teilhaben zu lassen. So erfährt man immer Stück für Stück etwas über die "aktuelle" Person, aber auch über ihre Vergangenheit.
Konrad Adenauer selbst tritt erst auf, wenn man das halbe Buch schon durch hat und selbst da beschränkt sich sein Da sein auf zwei bis drei kurze Auftritte. Das reicht aber auch. Es ist auch nicht der Kanzler, der in diesem Buch fasziniert, sondern die Geschichten der drei Frauen, die miteinander genauso verwoben sind, wie auch deren Leben mit einigen der Nebendarsteller, dass man die ganze Zeit gespannt ist, wie sich denn am Ende das Ganze auflösen wird.
Das es gut ausgehen muss, weiß der halbwegs Gebildete schließlich: Adenauer war 14 Jahre Kanzler und es gab das Wiedergutmachungsgesetz. Doch diese Verflechtung der Handelnden ist es, was das Buch fast bis zur letzten Seite spannend bleiben lässt.

Hätte ich keine kleinen Kinder, ich hätte es wohl an ein oder zwei Tagen verschlungen : )