Von Brüdern und Schwestern

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aennie Avatar

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Holger Brink ist hellauf begeistert. Seine ungeliebte Chefin in der Mordkommission betraut ihn mit einem delikaten Fall, dessen besondere Umstände ihm von der ersten Sekunde an zutiefst gegen den Strich gehen: eine junge Frau ist verschwunden, ein Drittel eines hippen Berliner Start-Ups, dass Smoothies herstellt. Höchste Geheimhaltung wird befohlen, denn die drei Smooth Sisters sind in der Klatschpresse keine Unbekannten. Und so macht Holger wider Willen Bekanntschaft mit „Luder-Lou“ und der geschäftstüchtigen Pamela, die ihre Schwester Viktoria, „the Brain“, nach einer gemeinsamen Besprechung mit ihrem Anwalt Robert Bergvogel nicht mehr gesehen haben. Charlie, Holgers ihm eigentlich sehr ähnlicher, aber einfach durch beständige Un-Geradlinigkeit im Leben bestimmter Bruder, der derzeit „nur vorübergehend!“ in Holgers Gartenhaus nächtigt und als Privatdetektiv für eine alte Liebschaft tätig wird, ist eben diesem Anwalt und seinem vermuteten Verhältnis auf der Spur. Als Charlie und Holger feststellen, dass sie auf gleichem Terrain mit unterschiedlichen Aufträgen auf der Spur nach einer Auflösung sind und dann auch noch der Anwalt Bergvogel verschwindet, verquicken sich die Interessen der Brüder und sie sind fortan gemeinsam in Hinterhöfen und Kühlhäusern der „Schmuseschwestern“ unterwegs. Erschwerte Bedingungen schafft dabei die lebenslustige, körperlich und sexuell voll auf der Höhe befindliche Mutter der beiden, die zum fünften Mal den schönsten Tag ihres Lebens begehen möchte, mit einem Kolumbianer, Ochsen vom Spieß und in Holgers Garten. Die Begeisterung hält sich auch bei dieser übertragenen Aufgabe merklich in Grenzen, sorgt aber für Komplikationen vorne und hinten.
Tote haben kalte Füße ist ein unterhaltsamer, humorvoller Krimi. Naturgemäß ist hier die Ermittlungsarbeit nicht das Wichtigste sondern die Personen stehen im Vordergrund und das liest sich ganz hervorragend. Denn die Bullenbrüder leben von der intelligenten, lakonischen Dialogführung und der hervorragenden Beobachtungsgabe der beiden Autoren Hans Rath und Edgar Rai, die alles menschliche und unmenschliche, gesellschaftliche Phänomene und dergleichen mit einer präzisen, messerscharfen Treffsicherheit pointieren und karikieren. Dies geschieht aber nicht so überzeichnet, dass hier ein Schenkelklopfer mit platten Witzchen entsteht, der einem nach wenigen Seiten einfach nur noch auf die Nerven geht, sondern richtig feine, im besten Sinne des Wortes, Unterhaltungsliteratur.
Fazit: das macht Spaß. Falls Anita wieder abgereist sein sollte, komme ich gerne vorbei und trinke mit Charlie , Holger und dem Rest seiner Familie auf der Terrasse einen Chablis. Meinetwegen helfe ich auch bei dem Versuch, von den Rosen zu retten, was das Manifest der Liebe nicht zerstört hat. Eine Leseempfehlung für alle, die klugen Humor lieben, hier keinen knallharten Kriminalfall und präzise Aufzeichnung der Ermittlungen erwarten und ein Faible für gut beobachtete menschliche Stärken und Schwächen haben.